Essen. . Iris Gränz arbeitet als Flüchtlingsbetreuerin im Asylheim. Früher arbeitete sie in der Karstadt-Hauptverwaltung, bevor sie ein Szene-Lokal eröffnete.
Das städtische Asylheim in Horst ist ihr neuer Arbeitsplatz: Seit drei Monaten fährt Iris Gränz von Frillendorf an die Dahlhauser Straße, wo sie Flüchtlinge betreut. 30 Stunden die Woche, immer von sieben bis 12.30 Uhr ist die 52-Jährige Ansprechpartnerin für die Menschen, die aus Syrien, dem Irak oder Tschetschenien kommen. Für die Familien bedeutet der Job von Iris Gränz eine große Hilfe im Alltag, für sie selbst ist es der lang ersehnte Wiedereinstieg ins Berufsleben.
Verständigung ohne Worte
Sie ist eine von 17 Flüchtlingsbetreuern, die die Diakonie jetzt eingestellt hat. Die Teams arbeiten jeweils in einem Heim in Wechselschicht, bevor sie um 17 Uhr an den Wachdienst übergeben.
Kommt Iris Gränz morgens an, schaut sie zunächst nach dem Rechten, achtet darauf, dass es ordentlich ist, checkt die E-Mails, spielt mit den Kindern. Bald wollen sie hinter dem Haus einen Garten anlegen, doch dafür fehlen noch Werkzeuge und Pflanzen. Sie beantwortet Fragen zu Ärzten oder Briefen und schaut, ob hinter der Post Werbung oder ein wichtiger Termin beim Amt steckt. Dabei erklärt sie den Menschen alles „mit Händen und Füßen“. Manchmal helfen die Kinder. „Wenn die erst ein paar Wochen zur Schule gehen, plappern sie darauf los“, sagt die 52-Jährige. Bei Bedarf stehen den Familien Sprachmittler und Sozialarbeiter zur Seite.
Etwas Sinnvolles tun
Den Bedarf überhaupt erst herauszufinden, dabei hilft der Betreuerin ihre Menschenkenntnis. „Viele sind sehr schüchtern und zurückhaltend und man spürt, dass viele eine schwere Last tragen“, sagt sie. Wie es ohne Beschäftigung ist, das kann Iris Gränz aus eigener Erfahrung nachempfinden. Aber zum Schicksal der Flüchtlinge gehören eben oft auch Kriege und immer der Verlust der Heimat. Selbst wenn Iris Gränz kein Wort versteht, spürt sie die Erleichterung und Dankbarkeit der Männer und Frauen, wenn sie einfach nur zuhört. „Es ist schön, etwas Sinnvolles zu tun.“
Einst hat sie in der Hauptverwaltung von Karstadt gearbeitet, hat zuvor die Ausbildungen zur Einzelhandelskauffrau, Handelsfachwirtin und Einkäuferin abgeschlossen. Nach zehn Jahren eröffnete sie dann ihr eigenes Szene-Lokal in der Innenstadt. „Die erste Zeit habe ich nur gearbeitet, um das Inventar abzubezahlen.“ Bis zu 16 Stunden täglich waren es, bevor mit dem Euro die Umsätze schwanden, sagt sie. Vier Jahre hat sie gekämpft, im fünften kam die Insolvenz und mit ihr Hartz IV.
Iris Gränz gab nicht auf, absolvierte Schulungen, bewarb sich um Bürojobs, auf Hausmeisterstellen und beim Discounter um die Ecke. Allein, ein Vorstellungsgespräch folgte nie. „Das mag an meinem Alter liegen“, mutmaßt sie. Die Situation deprimierte die tatkräftige Frau, die früher Helferin beim Technischen Hilfswerk war und nach dem Pfingststurm im Vorjahr eine der ersten, die als Ehrenamtliche bei „Essen packt an“ umgestürzte Bäume mit wegräumte.
„Ich will aber auch meinen Lebensunterhalt verdienen und nicht nur zu Hause vor dem Fernseher hocken.“ Doch es fehlte ohne Job sogar das Geld, mal ein Eis essen zu gehen. Ihre finanzielle Situation habe sich mit ihrer neuen Arbeit derzeit allerdings nicht wesentlich verbessert, sagt Iris Gränz ganz offen: „Aber es fühlt sich viel besser an.“
Ein ungewöhnliches Stellenprofil
Die Diakonie ist derzeit für sechs städtische Dauerunterkünfte verantwortlich. Da für diese Asylheime seit März das 24-Stunden-Betreuungskonzept gilt, entstanden neue Stellen für Flüchtlingsbetreuer.
Die zu finden, war zunächst eine Herausforderung, denn die Anforderungen an Bewerber entsprachen mitnichten klassischen Kriterien wie PC- oder Englisch-Kenntnissen. Weltoffen, kultursensibel, Fingerspitzengefühl und Bereitschaft zur Teamarbeit mit den Sozialarbeitern in den Heimen, zählt Gisela Strotkötter, Leiterin der Sozialen Dienste bei der Diakonie auf. Sie wandte sich mit diesem Stellenprofil an den Jobservice, eine Anlaufstelle im Jobcenter, die rund 1500 Langzeitarbeitslose betreut. Ebenso suchte sie Unterstützung bei der Neuen Arbeit der Diakonie, wo sich Mitarbeiter auch um Menschen über 50 kümmern, die lange ohne Job sind.
Aktuelles Ergebnis: 17 unterschriebene Arbeitsverträge. Weitere Betreuer werden gesucht. Die arbeiten in Teilzeit, auf ein Jahr befristet. Die Bezahlung der Tätigkeit wurde tariflich eingruppiert in die von Hausmeistertätigkeiten, sagt Strotkötter. Das bedeute, dass nicht alle Betreuer nun ohne Transferleistungen leben, aber sie haben die Chance, im Berufsleben wieder Fuß zu fassen. Verträge könnten zudem verlängert werden oder die Menschen bewerben sich nach einem Jahr mit einem Zeugnis auf andere Stellen.
Fest steht laut Bodo Kalveram, Verantwortlicher für den Jobservice, und auch Michael Stelzner, Geschäftsführer der Neuen Arbeit, dass das Interesse an dieser Aufgabe enorm groß gewesen sei. Und es sei gelungen, ausschließlich Langzeitarbeitslose einzustellen. Darunter auch diejenigen, die wegen ihres Alters schlechte Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt hatten, sagt Stelzner. Sie verteilen nun nicht nur Zimmerschlüssel oder weisen Zimmer zu, sie sind Ansprechpartner, wenn Bewohner Fragen oder Nöte haben, wenn es um Konflikte geht oder den Kontakt zu Nachbarn.