Essen. Der Essener Janne Linder hilft in einem Armen-Vorort von Kapstadt. Er berichtet von menschlichen Erfahrungen, aber auch von brenzligen Situationen.
Paukerei und Prüfungsstress – ist das Abi erstmal geschafft, wollen viele unbedingt eines: etwas erleben, die Welt entdecken. Auch Janne Linder aus Steele-Horst. Er arbeitet in einem Kinderbetreuungszentrum in Südafrika.
Zwanzig Jugendliche fläzen mit Kissen auf dem Boden, im Hintergrund läuft ruhige Meditationsmusik. Janne, 19 Jahre alt, liest einen kurzen Text vor: Er macht mit seiner Klasse eine Traumreise. Für die südafrikanischen Jugendlichen ist das eine völlig neue Erfahrung, sie haben eine solche Entspannungsübung noch nie gemacht.
Betreuungszentrum für Kinder und Jugendliche
Janne Linder, der am Burggymnasium im vergangenen Jahr sein Abitur gemacht hat, wusste schon lange: Nach Lernstress möchte er erstmal weg von zuhause. „Es hört sich jetzt ein bisschen komisch an, aber ich wollte gerne einen sozialen Dienst machen, um meinen eigenen Charakter zu bilden - man nimmt für sich selbst soviel mit!“
Groß und hellblond ist Janne, er fällt auf hier. Mit dem Weltwärts-Dienst des Bundesentwicklungsministeriums ist er in Südafrika. Hier arbeitet er bei „Mothers Unite“, einem Betreuungszentrum für Kinder und Jugendliche in einem Vorort Kapstadts - einem schwierigen Vorort. Die Armut ist groß, die Arbeitslosigkeit hoch, die Kriminalitätsrate und Drogenabhängigkeit auch, Perspektiven für die Menschen fehlen.
Die Arbeitsatmosphäre gefällt ihm
„Mothers Unite“ bietet einen sicheren Ort, hierher kommen täglich etwa 150 Kinder und Jugendliche. Sie erhalten eine Mahlzeit, und ganz wichtig: Sie bekommen eine Beschäftigung. Es gibt einen Computerclub, einen Lese- und Recycling-Club, sowie ein Gärtnerprojekt. „Wir wollen ihnen hier Lust aufs Lernen machen“, erklärt Janne. Und es geht auch um ernste Themen, um Verhütung und Schutz vor Aids, zum Beispiel.
Janne Linder hat sich die Klasse der Ältesten ausgesucht, sie sind 16 und 17 Jahre alt, da ist er vom Alter her am nächsten dran, erklärt er. An drei Nachmittagen in der Woche unterrichtet er sie, gemeinsam mit einer Betreuerin von Mothers Unite.
Die Arbeitsatmosphäre gefällt ihm, und auch in der Familie, die ihn aufgenommen hat, fühlt er sich wohl. Sein Gastbruder ist so alt wie er, die Gastschwester acht Jahre älter. „Es gibt aber auch Dinge, auf die ich mich sehr freue, wenn ich wieder in Deutschland bin“, sagt er. Zum Beispiel? „Mir keine Sorgen mehr machen zu müssen, wenn ich mit dem Bus oder dem Zug fahre, oder abends alleine unterwegs bin.“
"Ey, das war total cool"
Er wusste schon vorher, dass die Kriminalitätsrate in Südafrika hoch ist. Beim Vorbereitungsseminar von „weltwärts“, oder in seiner Gastfamilie - überall wurde das betont. „ ‚Mir passiert schon nichts‘, dachte ich. Aber das war gedankenlos.“ Bis er dann selbst überfallen wurde - Handy weg, Bargeld weg. Janne hatte Glück im Unglück, ihm ist nichts weiter passiert. „Die Unbeschwertheit ist jetzt weg“, sagt er. Ihn nervt auch ein wenig, dass das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel viel schlechter ausgebaut ist als in Deutschland, ständig ist er auf ein Auto angewiesen.
Er lernt in Südafrika andere Lebensumstände kennen, und kann bei Mothers Unite eigene Ideen umsetzen. Gibt es noch etwas, was er gelernt hat? „Ja“, sagt Janne Linder, „große Dankbarkeit für mein Leben in Deutschland, das weiß ich durch die Zeit hier noch mehr zu schätzen.“
Einer der Jugendlichen ruft nach der Traumreise: „Ey, das war total cool, ich bin nach China gereist!“ Und Janne? Er freut sich über diese direkte Rückmeldung: „Es ist total schön, zu merken: Deine Arbeit kommt an und trägt Früchte. Das ist ein tolles Gefühl!“