Essen. . Trotz ablehnender Haltung der SPD gibt sich OB Paß zuversichtlich, einen Stimmungswechsel herbeizuführen. Rechtlich umstritten ist die Verfügung allemal.
Trotz der ablehnenden Haltung der SPD-Fraktion und der plötzlichen Zurückhaltung der Christdemokraten hält Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) am geplanten Alkoholverbot auf dem Willy-Brandt-Platz, auf dem Heinrich-Reisner-Platz und auf dem Carrée zum Handelshof fest. Er sieht den Erlass einer ordnungsbehördlichen Verfügung als „Ultima Ratio“, um die Trinkerszene kurzfristig zum neuen Standort vor der ehemaligen Suppenküche an der Hollestraße, östlich der Gildehofstraße zu verlagern.
Die Mehrheit im Rat für dieses umstrittene Vorgehen hat er derzeit nicht, seine eigene Partei will das Verbot nicht. Der OB setzt nun darauf, dass er bis zur entscheidenden Ratssitzung am 24. August das Meinungsbild noch ändern könnte.
Alkoholverbot sei „das letzte As im Ärmel“
Aber selbst wenn die Politik umschwenken sollte – was eher nicht zu erwarten ist – riskiert die Stadt, dass ein Gericht möglicherweise die Verordnung wieder einkassiert. So wie in anderen Städten auch. Rechtsdezernent Christian Kromberg räumte am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der Verwaltungsspitze ein: „Ich bestreite nicht, dass die Rechtsauffassung in großen Teilen eine andere ist.“
Und die besagt, dass solange keine konkrete sondern nur eine abstrakte Gefahr von den Alkohol Trinkenden ausgeht, ein derartiger Eingriff in Freiheitsrechte nicht zu rechtfertigen ist. Sollte jemand gegen das geplante Verbot klagen, steht der Stadt eine Zitterpartie bevor. Sozialdezernent Peter Renzel bestätigte, dass von der Szene auf dem Willy-Brandt-Platz bis heute „keine Angriffe auf Passanten“ festgestellt wurden. Sehr wohl gab es aber Pöbeleien. Kromberg beruft sich auf jüngste Studien, wonach ein übermäßiger Alkoholkonsum zu mehr Kriminalität und Gewalt führe. Von der Szene gehe eine „hohe Aggressivität“ aus.
Sollte es im Fall des Falles tatsächlich zu einer juristischen Auseinandersetzung kommen, glaubt Kromberg, das Gericht überzeugen zu können, weil er stets die Verhältnismäßigkeit wahren will. Das geplante Alkoholverbot sei „das letzte As im Ärmel“, sollte sich die Szene nicht kurzfristig verlagern. Wenn ein Einzelner auf dem Willy-Brandt-Platz friedlich sein Bier trinke und keinen störe, „dann werden ihn meine Leute nicht in den Schwitzkasten nehmen“, erklärte der Dezernent.
Drei zusätzliche Streetworker-Stellen
Zudem soll das geplante Alkoholverbot erstmal nur bis Herbst 2016 gelten. Danach werde Bilanz gezogen und erneut entschieden. Die Verbotsschilder könnten schon Ende August aufgestellt werden, wenn die Politik zustimmt. Untersagt werde dann nicht nur der Konsum, sondern auch das Mitführen von alkoholischen Getränken, wenn die Absicht deutlich erkennbar sei, dass in der Tabuzone zur Flasche gegriffen werde. Die geplante Verfügung gelte jeweils von 8 bis 23 Uhr und werde auf den Zeitraum zwischen dem 1. März und dem 31. Oktober begrenzt.
Fragt sich, warum die Verwaltung ihr Konzept gerade zu dem Zeitpunkt vorstellte, als sich der Rat bereits in die Sommerpause verabschiedet hat. OB Paß verwies darauf, dass erst eine „verwaltungseinheitliche Meinung“ hergestellt werden musste. Dazu sei ein Paket nötig, das der gesamte Verwaltungsvorstand mittrage. Es musste die „Balance zwischen sozialen Hilfen und ordnungsrechtlichen Maßnahmen“ gefunden werden, argumentierte Sozialdezernent Peter Renzel. Und Kromberg setzt darauf, erst gar nicht bis zum Äußersten gehen zu müssen. Aber dafür bereit sein will er schon – deshalb die Verbotsverordnung.
Etwa 30 bis 35 Alkohol-Suchtkranke und Obdachlose („alle Essener Bürger“, so Renzel) sollen zum neuen Standort an der Hollestraße ausweichen. Dort wird bis Ende August ein Urinal mit einer Laufrinne aus Stahlblech errichtet. Zudem werden auf dem etwa fünf mal zwölf Meter breiten Streifen mehrere Sitzwürfel aus Stein aufgestellt.
Damit der „Umzug“ klappt und die Süchtigen und Wohnungslosen in Zukunft besser erreicht werden, um ihnen konkrete Hilfe anzubieten, finanziert die Stadt drei zusätzliche Halbtags-Streetworker, die von den Trägern „Suchthilfe direkt“, „Diakoniewerk“ und „Caritas Essen“ vor Ort eingesetzt werden. Dezernent Renzel betonte, dass dieses Projekt nicht zeitlich begrenzt werde. „Das ist eine grundsätzliche Einrichtung der Straßensozialarbeit in der Innenstadt.“