Essen. . Die Alterung der Gesellschaft stellt die Wohnungsunternehmen vor große Herausforderungen. Der Allbau reagiert mit einer breiten Palette von Angeboten

Margot Müller lässt ihren Blick vom Balkon über den Niederfeldsee schweifen und ist trotz des regensatten Himmels entzückt. „Eine herrliche Aussicht“, sagt die 80-Jährige, „man sollte nicht glauben, dass hier Großstadt ist“.

Bis vor einem Jahr hat die Seniorin noch auf dem Lande gelebt – „in einem Dorf bei Aschaffenburg, mit einem riesigen Garten, in dem Schafe grasen“. Doch ihre Pflegebedürftigkeit hat sie gezwungen, nach Essen umzuziehen. „Mein Sohn wohnt direkt in der Nähe, er kümmert sich um mich.“

Dass sie in dem schicken Neubau Uferpromenade 1 in Altendorf, dem Allbau-Vorzeigeobjekt, selbstständig leben kann, hat sie einem Zufall zu verdanken. „Es war schon alles ausgebucht, dann ist plötzlich jemand abgesprungen.“

Margot Müller, Pflegestufe I, ist auf Gehhilfen angewiesen – für kurze Wege nimmt sie Krücken, für mittlere den Rollator und bei längeren den Rollstuhl. „Ich fühle mich hier gut, weil die Gemeinschaft intakt ist“, berichtet sie. Man treffe sich regelmäßig zum gemeinsamen Spazierengehen und jeden Mittwoch im Gemeinschaftsraum zum Klönen mit Kaffee.

Die Worte „Gemeinschaft“, „Nachbarschaft“ und „Kommunikation“ fallen bei den Gesprächen an diesem Morgen sehr oft.

Weil immer mehr Menschen in Essen immer älter werden, nehmen die Herausforderungen an die Wohnungsgesellschaften rapide zu. Doch Samuel Serifi, Prokurist des Branchenführers Allbau, verströmt ein gesundes Selbstbewusstsein. „Wir stellen seit Jahren fest, dass die Mieter in unseren Wohnungen gerne älter werden.“

18 000 Wohnungen hat der Allbau im Bestand, davon fallen allein 2500 bis 3000 unter die Kategorie „Wohnen mit Service“ – von barrierearm über barrierefrei bis gehoben. Das Maßnahmenbündel ist zunehmend breiter gefächert, auch weil unzufriedene Mieter wegziehen weg und Leerstand verursachen. Nun, der Allbau investiert jährlich 40 Millionen Euro – in Neubau und Instandhaltung. „Bei Modernisierungen werden Badewannen prinzipiell durch Duschen ersetzt“, sagt Serifi, und fügt die breite Maßnahmen-Palette des Allbau an wie etwa den Einkaufsservice, neue Aufzüge, Pflegestützpunkte im Wohnquartier, kostenlose Gemeinschaftsräume, einen Concièrge und im Idealfall sogar eine Pflegestation mit Tagespflege sowie als i-Tüpfelchen: ein Café.

Elisabeth Gottwald ist eine rüstige Frau und nicht pflegebedürftig. Trotzdem ist die 79-Jährige vor einem Jahr – quasi vorsorglich – hierhin umgezogen. Auch Tochter Bianka hat sich hier ein Appartement genommen. „Meine alte Wohnung in der Dorstener Straße war zu groß, außerdem hat mir das Umfeld gar nicht mehr gefallen“, berichtet Elisabeth Gottwald.

Ihr Appartement hat 51 Quadratmeter, 25 weniger als vorher. Dass das Wohnen am Niederfeldsee etwas kostspieliger ist, nimmt sie bewusst in Kauf. „Ich zahle 590 Euro warm, 40 Euro mehr als für die alte Wohnung“, fügt sie hinzu.

Wie Margot Müller schätzt auch Elisabeth Gottwald die gute Nachbarschaft im Hause. Es ist besonders der lichtdurchflutete Gemeinschaftsraum mit den hellgrünen Stühlen, dem großen Tisch und wunderbarem Seeblick, der die wohlige Nestwärme befördert.

„Egal ob jung oder alt, gegen eine kleine Kaution stellen wir den Raum inklusive Kaffeeküche kostenlos zur Verfügung“, betont Samuel Serifi. Und Elisabeth Gottwald erzählt, wie einfach die neue Nachbarschaft funktioniert: „Alle drei Wochen sind drei neue Leute mit Kaffeekochen und Kuchenholen an der Reihe, die Kosten legen wir um, einer spült, mal sind wir zehn, mal sechzehn.“

So lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben – das ist für Margot Müller das A und O. Der ambulante Pflegedienst der Familien- und Krankenpflege schaut drei Mal in der Woche morgens vorbei, abends und am Wochenende ihr Sohn. Auf dem breiten Laubengang zur Hofseite sprießen Strauchtomaten. „Die habe ich angepflanzt“, sagt sie stolz.

Einige Hausbewohner, Menschen mit mehr Pflegebedarf, nutzen im Erdgeschoss die „Tagespflege am See“. „Das Konzept des Hauses ist ideal“, sagt Pflegedienstleiterin Britta Hartel. Und die Lage? „Eine Oase, wie im Urlaub.“

Diakonie-Expertin: „Grundpflege reicht bei weitem nicht aus“

In Essen gehört nahezu jeder Dritte zur Altersgruppe der über 60-Jährigen. Damit wächst auch der Pflegebedarf. „Aber die Grundpflege allein reicht bei weitem nicht“, betont Claudia Hartmann, Leiterin des Seniorenreferats der Diakonie, „die Menschen sind mehr als Fürsorgeobjekte, sie brauchen Gemeinschaft und Mitbestimmung.“

Menschen ein selbstständiges Leben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, sei eine Sache. Die andere: ideale Angebote in der Nachbarschaft anzubieten, die fußläufig erreichbar sind und soziale Kontakte ermöglichen. Hilfreich findet Claudia Hartmann, dass Wohnungsunternehmen eigene Seniorenbeauftragte mitsprechen lassen bei der Quartiersentwicklung. „Sie haben einen geschulten Blick auf Menschen im Alter und ihre Bedürfnisse.“ Diakonie-Pflegedirektorin Karla Geyr legt Menschen nahe, sich frühzeitig auf den Weg zu machen – noch bevor der Unterstützungsbedarf anfällt. „Jeder sollte sich rechtzeitig fragen: Wo möchte ich wohnen? Wie möchte ich alt werden? Ist meine Wohnung seniorengerecht?“

Samuel Serifi will den Gemeinschafts- und Nachbarschaftsgedanken künftig noch mehr in den Mittelpunkt der Allbau-Philosophie rücken. „Es ist wichtig, dass sich die Menschen in unseren Quartieren begegnen und gemeinsam lachen.“ Der Allbau-Prokurist geht davon aus, dass soziale Netzwerke und neue Medien die Art der Kommunikation im nächsten Jahrzehnt spürbar verändern werden.