Essen.. Unseriöse Rohrsanierer gehen bei der Dichtheitsprüfung von privaten Abwasserleitungen so rücksichtlos vor wie Drückerkolonnen. Betagtes Ehepaar in Kettwig abgezockt.

Die Branche nennt sie verächtlich Kanalhaie. Weil sie Unwissenheit insbesondere älterer Bürger schamlos ausnutzen und obendrein den guten Ruf alteingesessener Handwerksfirmen in der Sparte Kanal- und Rohrreinigung übelst ruinieren. Die Verbraucherzentrale NRW und das Landeskriminalamt warnen jetzt im Zusammenhang mit der Dichtheitsprüfung privater Abwasserleitungen vor unseriösen Rohrsanierern. Vor Leuten, die genauso rücksichtslos vorgehen wie Drückerkolonnen.

VDRK-Chef Wiebels: „Da sind skrupellose Betrüger am Werk.“

Rainer Wiebels ist Geschäftsführer der Roel Umwelttechnik Abfluss-Service GmbH auf der Manderscheidtstraße – ein Unternehmen, das schon seit vierzig Jahren erfolgreich in Essen ansässig ist. Auch in seiner Eigenschaft als Geschäftsführender Vorstand des Verbandes der Rohr- und Kanaltechnik-Firmen (VDRK) wettert er seit Jahren gegen die schwarzen Schafe. Er sagt: „Da sind skrupellose Betrüger am Werk.“

Das Thema Dichtheitsprüfung von privaten Abwasserleitungen ist in Essen eigentlich durch. Zwar verfügt die Ruhrmetropole über große Wasserschutzzonen, in denen die Prüfung der vor 1965 verlegten Leitungen bis Ende dieses Jahres erfolgen muss. Die meisten dieser Zonen säumen jedoch die Ruhr und sind ziemlich dünn besiedelt. „Die meisten Häuser dürften schon geprüft worden sein“, betont Wiebels.

Und dennoch: Auch Hauseigentümer, die ihre Leitungen nach 1965 in diesen sensiblen Zonen verlegt haben, sollten auf der Hut vor Kanalhaien sein. Zwar können sie sich mit der Dichtheitsprüfung noch Zeit lassen bis 2020. „Aber die Kanalhaie verschweigen absichtlich, dass diese Gruppe erst viel später prüfen muss“, warnt Fatma Öksüz, die bei der Verbraucherzentrale das Projekt Kanaldichtheit verantwortet.

30.000 Euro für zehn Meter Regenwasserleitung

Für Fachmann Wiebels sind die dubiosen, ja kriminellen Praktiken der Kanalhaie ein Alptraum. Das gilt erst recht für die Opfer. Wie etwa für das hochbetagte Ehepaar aus Kettwig, das sogar zweimal brutal ausgetrickst wurde. Anstatt die Abwasserrohre zu sanieren, machte sich die Kolonne über die völlig ungefährliche Regenwasserleitung her, die der Dichtheitsprüfung außerdem überhaupt nicht unterliegt.

Und weil die alten Herrschaften völlig ahnungslos waren, taten die Kanalhaie einfach das: Sie sanierten nur zehn Meter Regenwasserleitung, stellten aber zwanzig Meter in Rechnung. Unterm Strich addierte sich ihre dreiste Forderung auf rund 30.000 Euro. Wiebels: „Der Fall landete vor Gericht.“

Verbraucherzentrale warnt: Sie rufen wahllos an oder klingeln an der Haustür

Die Verbraucherzentrale NRW zeichnet ein düsteres Bild vom Vorgehen der Kanalhaie: „Sie rufen wahllos an, klingeln an der Haustür oder überrumpeln arglose Hauseigentümer in der Kneipe.“

Die Dichtheitsprüfung (mit Kanal-TV-Untersuchung samt Bescheinigung) böten sie zum Schnäppchenpreis von 59 Euro an. „Doch dann überraschen sie die Eigentümer etwa mit der Nachricht, die Leitungen seien marode und dringend sanierungsbedürftig“, warnt die Verbraucherzentrale.

Nach Informationen der WAZ operiert eine der mutmaßlichen Kanalhaie-Firmen bundesweit von Essen aus. Dabei treten ihre Wagen und Monteure im Stadtbild nicht einmal in Erscheinung, in Essen soll es wohl nur die Büros geben.

Dichtheitsprüfung: Nützliche Tipps gegen unseriöse Rohrsanierer

Das Projekt Kanaldichtheit der Verbraucherschutzzentrale und die örtlichen Polizeidienststellen geben nützliche Tipps, um Kanalhaien das schmutzige Handwerk zu legen:

Prüffrist beachten: Private Abwasserleitungen, die vor 1965 in Wasserschutzgebieten verlegt wurden, müssen bis Ende 2015 geprüft werden. Später installierte Leitungen unterliegen einer Prüffrist bis 2020. Im Schadensfall gilt eine Sanierungsfrist von bis zu 10 Jahren.

Nur Angebote anerkannter Betriebe vergleichen: Sie sind aufgelistet in der „NRW-Liste“ unter www.sadipa.it.nrw.de/sadipa

Massivem Druck widerstehen: Dubiose Firmen versuchen, die Konkurrenz mit Schnäppchenpreisen, Finten und Täuschungen auszustechen. Wer sich stark unter Druck gesetzt fühlt, sollte bei der Polizei Anzeige erstatten. Das ist in allen Polizeiwachen möglich.

Auftrag und Vertrag widerrufen: Binnen 14 Tagen ab dem Tag des Vertragsabschlusses können Verträge schriftlich widerrufen werden – am besten per Einschreiben mit Rückschein.