Essen. . Die Aufklärungsquote der Essener Polizei ist hoch, doch die Hemmschwelle sinkt: Immer mehr Unfallverursacher flüchten. Sogar, wenn es Verletzte gibt.
Die Wahrscheinlichkeit nach einer Unfallflucht von der Essener Polizei erwischt zu werden, ist relativ hoch. Immerhin ermittelten die Beamten im Vorjahr etwa jeden zweiten Verursacher. Nach Unfällen, bei denen Menschen verletzt wurden, liegt die Aufklärungsquote bei knapp 70 Prozent. Gleichzeitig riskieren immer mehr Fahrer die Flucht nach einem Unfall.
Insgesamt entfernten sich im Vorjahr 4997 Fahrer, nachdem sie einen Unfall verursacht hatten. Das sind knapp 300 Fälle mehr als noch 2013. Darunter sind auch 195 Unfälle, bei denen Menschen verletzt worden sind (2013: 172). „Die Hemmschwelle ist gesunken“, sagt Polizei-Sprecher Marco Ueberbach deutlich. Der Autofahrer denke zunächst an sich. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Bagatellschäden, also Unfälle mit geringem Sachschaden wie Rempler beim Ein- oder Ausparken, bei denen zum Beispiel ein Außenspiegel beschädigt wurde. Ein Fall für die Versicherung also. Entfernt sich der Verursacher jedoch, wird es zur Straftat: Verkehrsunfallflucht. Das gilt bereits bei einem Schaden von mehr als 30 Euro. Liegt dieser bei mehr als 1300 Euro, wird der Führerschein sichergestellt.
Ein Zettel mit Kontaktdaten reicht nicht
Dennoch flüchten tausende Verursacher, weil am Führerschein mitunter Existenzen hängen, erklärt Ueberbach, wenn etwa das Auto zu beruflichen Zwecken gebraucht werde. Dabei gibt es nach einem Unfall, bei dem der Halter des beschädigten Fahrzeugs nicht anwesend ist, nur ein richtiges Verhalten: „Die Polizei zu rufen und vor Ort zu bleiben, bis die Beamten eintreffen.“ Möglich sei es, auf direktem Weg eine Polizeiwache anzusteuern. Aber auch das berge die Gefahr, sich den Vorwurf der Flucht gefallen lassen zu müssen. Fest steht: Es reicht keinesfalls, einen Zettel mit seinen Kontaktdaten hinter den Scheibenwischer zu klemmen. Und es bringt nichts, der Polizei erklären zu wollen: „Ich habe nichts mitbekommen.“
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„Der Großteil dieser Unfälle wird vom Verursacher zweifelsfrei bemerkt“, sagt Ueberbach. Es gibt ein Geräusch, das Auto ruckelt, die Lenkung reagiert. Doch es entfernen sich selbst Fahrer, die einen Menschen angefahren haben, kurz aussteigen und fragen, ob alles okay ist. „Sie vergessen, dass diese Person unter Schock stehen kann.“ Ein Trugschluss sei es auch zu meinen, jeder Schaden sei mit dem bloßen Auge erkennbar. Es gebe sogar erhebliche Schäden, die erst auf der Hebebühne entdeckt würden.
Spuren am Unfallort wie Lack, Splitter oder Fremd-Farbe am Fahrzeug wertet die Polizei aus. Die Beamten machen Bilder, vermessen Schäden und geben kleinste Lackteilchen ans Landeskriminalamt. Die technischen Mittel reichen so weit, dass die Ermittler nicht nur Fabrikat und Farbe feststellen, sondern auch ein bestimmtes Fahrzeug identifizieren können. Bei diesen Ermittlungen muss die Polizei allerdings immer auch die Kosten abwägen. Mit einer Ausnahme: „Wurde ein Mensch verletzt oder getötet, scheuen wir weder Kosten noch Mühen.“