Essen. Bußgeld, Maulkorb, Sicherstellung: Nach einem Hundeangriff hat die Stadt mehrere Optionen. Essener Ehepaar berichtet von der Angst nach dem Angriff.
Der Schock bei Maria und Hermann Klempat sitzt tief. Immerhin hätte ihr kleiner Yorkshire-Terrier den Angriff des viel größeren Schäferhundes beinahe nicht überlebt. „Die Tierärzte haben Fiona notoperiert“, berichtet die Halterin (74) und hält Ordner mit Attesten der Tierklinik in Altenessen als Beweis hoch. Das Ehepaar hat Anzeige erstattet, beim Ordnungsamt und bei der Polizei, weil Hermann Klempat sich an der Hüfte verletzte, als er Fiona schützen wollte.
Er war an dem Nachmittag im April am Ottenkämperweg mit seiner Hündin an der Leine spazieren, als der frei laufende Nachbarhund sich blitzschnell auf Fiona stürzte und zubiss, erinnert sich der 79-Jährige – ein Vorfall wie er sich kürzlich auch auf der Ruhrhalbinsel ereignete. In beiden Fällen hatten Hund und Halter keine Chance zu entkommen. „Dabei ist Fiona so ein liebes und verträgliches Tier“, sagen die Klempats.
Wird ein Hund verletzt, sind bis zu 500 Euro Bußgeld möglich
Die Wunden des Terriers sind verheilt, manchmal humpelt sie noch, ihr Fell muss an den Stellen auf dem Rücken noch wachsen, wo die langen Narben sind. Geblieben ist Klempats die Tierarztrechnung von 1000 Euro und die Frage: „Was tut die Stadt nun eigentlich?“
„Es gibt einige Möglichkeiten“, sagt Norbert Geldermann, beim Ordnungsamt für Gefahrenabwehr zuständig. Es landeten allerdings nicht viele Beißerein unter Hunden bei der Stadt. Eine Maulkorbpflicht, die viele schnell fordern, sei dann nur die Ultima Ratio. Wird bei einer Beißerei ein Hund verletzt, so ist je nach Schwere oder gar dem Tod eines Tieres ein Bußgeld bis zu 500 Euro möglich. Es müsse aber auch festgestellt werden, ob es sich um „naturidentisches Verhalten“ wie etwa Rangkämpfe unter Rüden oder um eine gesteigerte Aggression gegenüber Artgenossen handelt.
Fällt ein aggressiver Hund jedoch wiederholt auf, droht neben erhöhtem Bußgeld auch Leinenzwang, vielleicht auch der Maulkorb. Diesen darf das Tier draußen dann erst ablegen, wenn der Halter nachweist, „dass der Hund sich in seinem Verhalten geändert hat.“ Das könnten etwa Gutachter oder zugelassene Hundeschulen bescheinigen.
Anders sieht es jedoch aus, wenn ein Hund als gefährlich eingestuft wird: „Diesen Status behält er sein Leben lang“, sagt Geldermann. Er darf nie wieder ohne Leine und ohne Maulkorb geführt werden.
Gefährlichkeitsprüfung, wenn ein Hund einen Menschen beißt
Diese Gefährlichkeitsprüfung, zu der Amtsveterinäre hinzugezogen werden, steht sofort an, wenn ein Hund einen Menschen beißt. Dann könne das Tier auch sichergestellt werden. Die Einstufung als gefährlich habe jedoch nichts mit der Rasse zu tun: „Die kann auch für einen Dackel gelten, der ständig Hühner reißt.“
Landeshundegesetz und Leinenpflicht
Für Hunde, die größer als 40 cm oder schwerer als 20 Kg sind und die nicht zu den gefährlichen Rassen wie Staffordshire Bullterrier oder Bullterrier gehören, gilt laut Landeshundegesetz u.a.: Ihre Haltung muss beim Ordnungsamt gemeldet werden. Der Halter muss seine Sachkunde nachweisen, die z.B. vom Amtstierarzt bescheinigt wird. Die Hunde müssen haftpflichtversichert und mit Mikrochip gekennzeichnet sein. Und: „Große Hunde müssen dort, wo geschlossene Bebauung anfängt, angeleint bleiben“, sagt Norbert Geldermann. In Parks und in Fußgängerzonen gilt diese Pflicht übrigens für alle Hunde.
Im Wald dürfen Hunde laut Landesforstgesetz frei laufen, aber nur auf den Wegen. Geldermann: „Sie müssen gehorsam und jederzeit abrufbar sein.“
Zum Vorfall in Katernberg laufen die Ermittlungen, sagt Geldermann. Bis dahin habe der Hund eine vorläufige Maulkorbpflicht. Frei laufen hätte er ohnehin nicht dürfen, da es ein großer Hund ist und für diese in bebauten Gebieten die Leinenpflicht gelte. Möglicherweise meldeten sich noch weitere Zeugen oder Betroffene. Das Ordnungsamt sei auf Hinweise angewiesen: „Wir sind konsequent, können aber nicht hinter jedem Hund herlaufen.“ Von Haltern erwartet Geldermann indes Rücksicht und dass diese ihre Hunde festhalten, wenn etwa Jogger oder Radfahrer nahen oder auch Hunde, wenn der eigene nicht verträglich ist. „Sie sollten ihren Hund richtig einschätzen und eingreifen können.“
Fiona zeigt sich draußen nun mitunter unsicher, berichten Klempats, die nur noch zu zweit mit dem Terrier vor die Tür gehen. Nachbarn warnten sich jetzt gegenseitig. Wegen der Tierarztkosten hat das Paar einen Anwalt eingeschaltet und hofft ansonsten, „dass wir bald wieder gefahrlos und entspannt mit Fiona spazieren können.“