Essen. Vom Seniorenprojekt zur eigenständigen Bühne: Seit fünf Jahren gibt es die „Ruhrpott-Revue“. Nun soll Workshops für Kinder etabliert werden.
Innerhalb von fünf Jahren ist die „Ruhrpott-Revue” von einem Seniorenprojekt zur eigenständigen Bühne mit einem Programm gewachsen, das so bunt ist wie die Truppe, die es veranstaltet. Die Macher der Revue wollen nun verstärkt auch Kinder einbinden und dafür Workshops anbieten.
Als Bodo Roßner 2009 die Idee für die Ruhrpott-Revue entwickelte, da war dem frisch gebackenen Ruheständler noch nicht klar, welche Dimensionen diese Idee annehmen sollte. „Ich habe schnell gemerkt, dass ich nicht den ganzen Tag zuhause herumhängen möchte”, erinnert sich der 65-Jährige. Bald kam ihm „irgendwas mit Kultur” in den Sinn, um seine Zeit sinnvoll zu nutzen.
"Denn jeder singt gern – ich auch!”
„Ein Seniorentheater sollte es ursprünglich werden”, so Roßner. Eines, für das er selbst die Geschichten entwickeln wollte. „Ich habe so viel erlebt, das muss doch locker eine Menge Stoff ergeben!” Die Figur des „Kumpel Anton”, der in den Stücken der Ruhrpott-Revue im Mittelpunkt steht, ist daher untrennbar mit dem Autor verbunden: „Unser erstes Stück war ,Kumpel Anton geht in Rente’ – dieses Thema hat mich zu der Zeit bewegt, und es ist daher auch ein Stück weit meine Geschichte.”
Doch war dem langjährigen Geschäftsführer des Kreisverbands der „Sozialistischen Jugend Deutschlands (SJD) - Die Falken” auch bewusst, dass er kein Theaterfachmann war. „Also habe ich mir gedacht, das Ganze muss noch mit Musik aufgepeppt werden. Denn jeder singt gern – ich auch!” Mit Karl-Heinz Freudenberg holte er sich einen kompetenten musikalischen Leiter mit an Bord. Zudem engagierte er eine Theaterpädagogin, die die Gruppe leiten sollte.
Mehrgenerationen-Projekt
Fehlten nur noch die Mitspieler: „Das war der schwierigste Part”, sagt Roßner lächelnd. Zum Glück konnte er aber auf sein gutes „Falken”-Netzwerk zurückgreifen und somit viele Freunde und Bekannte aktivieren. So entstand ein Theaterworkshop in Kooperation mit dem Leibniz-Gymnasium, der zur Folge hatte, dass das Konzept des Seniorentheaters plötzlich passé war. „Da einige Schüler bei uns mitmachen wollten, hat sich die Ruhrpott-Revue in ein Mehrgenerationenprojekt verwandelt.” Dabei räumt er ein, dass nach wie vor ein Großteil der beständigen Teilnehmer 50 Jahre oder älter ist: „Bei den Jüngeren herrscht naturgemäß eine größere Fluktuation.”
Die Truppe wuchs schnell heran – und beim Maifest auf der Zeche Carl im Kulturhauptstadtjahr stand der erste Auftritt für die zu jenem Zeitpunkt 30 Aktiven an. Damals gab die Truppe einen musikalischen Vorgeschmack auf das Stück, das im folgenden Herbst seine Premiere in der Zeche Carl feiern sollte. Mittlerweile gibt es drei „Kumpel-Anton”-Teile, hinzu kommen zwei „Lohntüten-Bälle”, die eine launige Zeitreise bieten. Anfangs tourte die Truppe noch durch den Stadtteil. Mittlerweile spielt sie 15 bis 20 Vorstellungen pro Jahr in ihrem eigenen Theatersaal in der Zeche Fritz, in der sie fast zwei Jahren zu Hause ist, auf die Beine. Hinzu kommen circa zehn externe Vorstellungen.
„Wir würden auch die Schulen besuchen”
Dabei werden die Ergebnisse auf der Bühne zusehends professioneller: „Am Anfang war das Ergebnis zwar schon voller Herzblut aber auch etwas chaotisch.” Doch viele Zuschauer hätten diese unperfekte Art der Inszenierung und des Spiels geschätzt, versichert Roßner. Dennoch feilte man an den schauspielerischen Fähigkeiten der Truppe. Mit Erfolg: „Mittlerweile nimmt uns auch das normale Theaterpublikum wahr”, hat Roßner beobachtet. Seien die Zuschauer anfangs überwiegend aus dem Essener Norden gekommen, so reisten sie mittlerweile aus ganz Essen und den umliegenden Städten an.
Heutzutage sind rund 40 Darsteller auf der Bühne zu sehen. Doch gerade bei den Jüngeren stockt der Nachwuchs. Deshalb möchte Roßner Workshops für Kinder und Jugendliche etablieren. Nach seinen Vorstellungen sollten diese Kurse nicht nur im Ruhrpott-Revue-Theater stattfinden. „Wir würden auch die Schulen besuchen.” Jedoch: Für die Realisierung dieser Idee fehlt bislang das Geld.
Das liebe Geld
Die Unterstützung, die man durch die Bezirksvertretung oder durch Projektförderung erhalte, reiche gerade, um die laufenden Kosten für die Inszenierungen und die Miete zu decken. Ziel sei es laut Roßner daher nicht nur, mehr Sponsoren zu generieren, sondern auch eine institutionelle Förderung der Stadt zu erhalten. Der Etat der klammen Stadt geht allerdings bislang für die Unterstützung anderer freier Anbieter drauf. Natürlich hätten auch diese weiterhin ein Anrecht auf finanzielle Unterstützung, so Roßner, aber: „Es kann doch nicht sein, dass neue Projekte außen vor bleiben.” Es werde auf jeden Fall eine politische Diskussion zu diesem Thema geben, ist er überzeugt. „Da sind wir auf einen guten Weg.”
Denn die kulturelle Arbeit, die die Ruhrpott-Revue leiste, sei auf mehreren Ebenen wichtig, betont er: „Neben dem Mehrgenerationen-Gedanken spielt auch das Thema Integration eine große Rolle.“ Sichtbar wurde dieser Aspekt vor allem in der dritten Arbeit: „Kumpel Anton im Multikultiland”. Die Hinwendung zu Mitspielern mit Migrationshintergrund brachte der Truppe immerhin zusätzliche Fördergelder ein. „Doch auch damit sind die Kosten längst nicht gedeckt“, so Roßner. So sei es ebenfalls ein Anspruch, anderen Gruppen eine Bühne zu bieten. „Doch in diesem Jahr mussten wir bereits einige Gastspiele absagen, weil wir uns den Betrieb nicht leisten konnten”, bedauert Roßner.
Erarbeitung eines Stücks Geschichte
Doch bei allem Kampf ums Geld vergisst Roßner die Kunst nicht: Aus dem Vorstand des Trägervereins Ruhrpott-Revue hat er sich inzwischen verabschiedet, um mehr Zeit ins Netzwerken und vor allem in die Stücke zu stecken: „Ich arbeite an einem dritten Teil vom „Lohntütenball”, verrät er. Nachdem die ersten beiden Teile eine Zeitreise in die 50er bzw. 60 Jahre boten, sind diesmal die 80er dran. „Das war eine wilde Zeit mit Tschernobyl, Friedensdemos und dem Mauerfall”, sagt er. „Wir wollen die Geschichte aus der Sicht derjenigen erzählen, die damals jung waren und sich entscheiden mussten zwischen Sicherheit und Familie oder Rebellion und Individualität.” Außerdem will er ein Stück zur Geschichte Altenessens erarbeiten. „Denn hier sind wir verwurzelt und hier gehört unser Theater hin.”
Termine: Am Samstag 13. Juni, 19 Uhr und Sonntag 14. Juni, 17 Uhr, steht „Kumpel Antons Lohntüten-Ball 2” auf dem Spielplan der Ruhrpott-Revue in der Zeche Fritz, Heßlerstr. 23. Außerdem beteiligt sich die Truppe am 6. September bei den „Theaterhäppchen” in der Casa des Schauspiels Essen. Mehr Infos im Internet auf: www.ruhrpott-revue.de