Essen. Weil die Holding EVV dringend frisches Geld braucht, will sie sich von einer lukrativen Finanzbeteiligung trennen und Zeit gewinnen. Andernfalls müssten RWE-Aktien oder Anteile am Allbau veräußert werden.

Die Stadt Essen ist pleite, doch das ein oder andere wertvolle Stück Tafelsilber steht noch in der Vitrine. Da wäre zum Beispiel die Beteiligung an der Kom9 GmbH. Nie davon gehört? Es handelt sich um einen Zusammenschluss von 54 regionalen und kommunalen Energieunternehmen. Die Stadt hält über ihre Holding EVV mit 4,57 Prozent zwar nur einen Bruchteil an dem profitablen Konstrukt. Doch es ist ein äußerst lohnendes Geschäft, das der EVV jedes Jahr rund vier Millionen Euro einbringt. Von solch einem glänzenden Stück Tafelsilber trennt man sich nicht ohne Not.

Seit Regierungspräsidentin Anne Lütkes es der Stadt aber untersagt hat, ihrer Holding wie vom Rat Ende 2014 beschlossen mit einem zweistelligen Millionenkredit unter die Arme zu greifen, ist die Not groß bei der EVV. Dass die Holding überhaupt noch flüssig ist, ist allein einem Kredit der Stadtwerke über zehn Millionen Euro zu verdanken sowie dem Umstand, dass der Allbau seine Dividende vorzeitig ausgeschüttet hat. Die Holding braucht also dringend frisches Geld, soll sie die Verluste der Evag ausgleichen.

Anteilseigner mit Vorkaufsrecht

Deshalb soll das schöne Stück Tafelsilber meistbietend veräußert werden. 69,5 Millionen Euro soll der Verkauf der Kom9-Anteile einbringen. Der tatsächliche Wert der Anteile liegt nach Einschätzung der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young sogar höher; sie taxieren die knapp fünf Prozent auf 82,5 Millionen Euro. So oder so, es wäre ein gutes Geschäft. 40 Millionen Euro hatte die EVV einst hingeblättert.

Die übrigen Anteilseigner genießen ein Vorkaufsrecht. Mindestens zwei ernsthafte Interessenten soll es geben.Verramschen wolle man die Anteile nicht, ließ Stadtwerke-Vorstand Peter Schäfer jüngst vernehmen. Dass Essen aber nicht alle Zeit der Welt hat, dürfte sich auch in der Branche herumgesprochen haben.

Gründung einer Immobilien-Holding im Gespräch

Im Herbst soll das Geschäft über die Bühne gehen. Andernfalls, so heißt es, müsse die EVV andere Optionen in Betracht ziehen. Damit gemeint ist der Verkauf anderer Silberstücke aus der Vitrine. Da wären die RWE-Aktien, oder Immobilienbestände des Allbau, was über kurz oder lang jenen weh tun dürfte, die darin wohnen. Dann schon lieber die Kom9 verfrühstücken.

Die EVV würde dadurch Zeit gewinnen. Zeit für den avisierten Umbau. In Rede steht die Gründung einer Immobilien-Holding, die den Allbau, die städtische Grundstücksverwaltung Essen (GVE) und die RGE-Servicegesellschaft unter einem Dach vereint. Die EVV würde sich auf ihren ursprünglichen Kern reduzieren, auf den Verbund von Evag und Stadtwerken. Da die Gewinne des Energieversorgers nicht ausreichen werden, um die Verluste des Nahverkehrs zu decken, sollen die Kosten sinken.

Die Stadt wird dennoch nicht umhinkommen, Geld zuzuschießen. Ob das ein oder andere Stück Tafelsilber noch auf der Ladentheke landet? Abwarten.