Essen. . Im Streit um eine bessere Bezahlung von Erzieherinnen hofft der OB auf einen fairen Kompromiss – und der Verdi-Chef setzt auf diese Worte.

Gegen lauten Punkrock hat selbst der mächtigste Gewerkschafts-Chef keine Chance: Weil ein paar Jungspunde etwas voreilig die Musik aufgedreht hatten, musste der Verdi-Bundesvorsitzende Frank Bsirske bei seiner Rede am Maifeiertag kurz inne halten und um Ruhe bitten. Abgesehen davon manövrierte er sich auf dem Burgplatz souverän durch die erwarteten Themen: Vom Mindestlohn, über Steuergerechtigkeit bis hin zum geplanten Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten. Beim sich zuspitzenden Streit um die Bezahlung von Erzieherinnen nahm Bsirske Oberbürgermeister Reinhard Paß in die Pflicht.

Die mitgliederstarke Dienstleistungsgewerkschaft kämpft derzeit an vielen Fronten: Warnstreiks bei der Deutschen Post, zähe Tarifkonflikte bei Amazon oder Karstadt. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht aber die Auseinandersetzung im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst. Verdi fordert für die Beschäftigten in Kitas und sozialen Einrichtungen im Schnitt eine Lohnerhöhung von zehn Prozent.

„Harte Auseinandersetzung“

„Kitas sind heute Bildungseinrichtungen“, sagte Bsirske. „95 Prozent der Beschäftigten dort sind Frauen, die nach vier bis fünf Jahren Ausbildung eine hochwertige pädagogische Arbeit leisten – ohne das die gestiegenen Anforderungen eine Entsprechung in der Bezahlung gefunden hätten.“ Zusammen mit den Gewerkschaften GEW und dbb hat Verdi in der vergangenen Woche die Verhandlungen mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) abgebrochen. Seitdem läuft eine Urabstimmung für einen unbefristeten Streik.

Zu dem wird es kommen, ist sich Bsirkse sicher. Jedenfalls so lange sich die Arbeitgeber – also auch die Stadt Essen – nicht bewegen. „Alles deutet auf eine harte Auseinandersetzung hin, die viele Eltern hart treffen wird“, sagte der Verdi-Chef. „Und zwar weil Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte den Erzieherinnen und Sozialarbeitern, die überfällige Anerkennung verweigern.“ Die Arbeitgeberseite leugne jeden Handlungsbedarf. Oberbürgermeister Reinhard Paß hatte in seinem Grußwort zuvor betont, im Kita-Streit auf einen schnellen und fairen Kompromiss zu hoffen. Bsirske nahm den städtischen Verwaltungschef deshalb in die Pflicht. „Ich setze darauf, dass Reinhard Paß dazu beiträgt, dass das was er sagt, auch beim eigenen Arbeitgeberverband ankommt“, so der Verdi-Chef.

Drohende Sparmaßnahmen

Paß äußerte sich in seiner Rede zudem zu den drohenden Kürzungen im Essener Nahverkehr und den angekündigten Sparmaßnahmen bei der städtischen Verkehrsgesellschaft Evag. „Wir tun alles, um die Situation zu stabilisieren“, sagte Paß. „Mobilität ist Bedingung für eine attraktive und wirtschaftlich starke Stadt.“

Nicht jeder der rund 2000 Kundgebungsbesucher glaubte das dem Stadtoberhaupt. Und so kam Paß nicht darum herum, sich mit Transparenten ablichten zu lassen, auf denen der Sparkurs bei der Evag und vor allem die wacklige Zukunftsperspektive der dort befristet Angestellten angeprangert wurden.