Essen. . Einsparungen können auf mehreren Wegen erreicht werden. Fürs Essener Nahverkehrsunternehmen hat die Evag-Spitze verschiedene Sparszenarien entworfen.

Man muss kein alter Tattergreis sein, um sich an dieses Plakatmotiv aus längst verflossenen Essener Nahverkehrs-Tagen zu erinnern: Da hielt sich eine hochschwangere Frau den kugelrunden Bauch und mahnte, geplagt von heftigen Wehen: „Jetzt kommen sie schon alle fünf Minuten.“ Und ihr Nachbar, es war wohl der Vater des Kindes, sinnierte lächelnd: „Wie die Evag.“

Ja, denkste. Statt einem Fünf-Minuten-Takt entgegenzusteuern, drohen mittelfristig womöglich eher 15- oder 20-Minuten-Pausen auch auf gut frequentierten Strecken, während andere gleich gänzlich aus dem Liniennetz gestrichen werden.

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Nur ein düsteres Zukunftsszenario? Nein, ein ganz konkretes, ausgearbeitet von der Evag-Spitze für eine Sitzung des Aufsichtsrates im November vergangenen Jahres und seither wohlweislich unter Verschluss gehalten. Denn wer in seiner Bewerbung als „Grüne Hauptstadt Europas“ mit leuchtenden Augen beschreibt, wie sich der Anteil des Essener Nahverkehrs von jetzt 19 Prozent in lichtere Höhen schrauben ließe, der wird nur allzu ungern auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Und der heißt: Der Trend könnte aus schlichten Kostengründen auch ganz anders verlaufen.

Nämlich abwärts.

Bei der Evag hat man dafür fünf Szenarien entworfen: Von nur „punktuellen Einschränkungen in der Bedienungs- und Verbindungsqualität“ über weiter reichende Kürzungen, zum Teil massiver Art, bis hin zu schlechteren Service- und Sicherheits-Standards und einer abgespeckten Fahrzeugausstattung.

Szenario I (1,3 Millionen €)

Schon im ersten Szenario könnte mancher Evag-Nutzer ein langes Gesicht ziehen: weil Takte ausgedünnt werden, der 15-Minuten-Rhythmus der Straßenbahnen in der Woche etwa schon um 18 statt 19 Uhr beginnt, weil Nachteulen auf die 1.30 Uhr-Fahrten im Nachtnetz von Sonntag bis Donnerstag verzichten müssen und weil Linien mit geringerer Nachfrage – wie etwa die See-Linie – ersatzlos wegfallen.

Szenario II (4,8 Millionen €)

Natürlich gibt es Schlimmeres. Etwa, indem man den nächsten Kürzungsschritt umsetzt und alle Straßenbahn-Linien von einem 10- auf einen 15-Minuten-Takt verringert. Folge: Manche Linien fahren permanent an der Kapazitätsgrenze, Sitzplätze werden dann Mangelware. Es gibt durch Engpässe vermehrt „Stehenbleiber“ auf der Strecke, wie das im Evag-Deutsch so schön heißt, das Ein- und Umsteigen dauert spürbar länger, und das Nachsehen haben vor allem ältere Leute mit Rollator oder Mütter mit Kinderwagen.

Szenario III (9,1 Millionen €)

Noch einen Schritt weiter wären insgesamt 17 Bus-Direktlinien betroffen, indem man entweder ihren Fahrtweg kürzt oder das Angebot gleich ganz streicht. Von diesem drastischen Einschnitt ins Angebot wären nahezu alle Stadtteile betroffen. Die Wege zu den Haltestellen gerieten so lang wie das Gesicht der Nutzer, die die S-Bahn als Alternative entdecken könnten.

Szenario IV (1,6 Millionen €)

Langsam wird’s heikel: Die Zahl der Sicherheitskräfte im Nachtnetz um die Hälfte zu stutzen, Toiletten seltener zu putzen, Schmierereien einfach ungereinigt stehen zu lassen und den Begleitservice entfallen zu lassen, das brächte nicht nur bei emfindlichen Zeitgenossen das ohnehin schon nicht übermäßig ausgeprägte Sicherheitsgefühl ins Wanken. Es droht eine Abwärtsspirale, in der Dreck und Vandalismus den Ruf von Bus und Bahn nachhaltig beschädigen.

Szenario V (1,2 Millionen €)

Im letzten Schritt könnte man den Bus-Komfort senken, könnte auf Klimaanlagen, Zusatzheizungen, Monitore und Videoüberwachung verzichten und die einheitliche Evag-Dienstkleidung abschaffen.

Unterm Strich stehen Zahlen: Zwischen der Beschränkung auf das Spar-Szenario I und der Entscheidung, alle fünf Bestandteile umzusetzen, klafft ein Sparpotenzial von 1,3 bis maximal 18 Millionen Euro.

Doch intern warnt die Evag: Je nach Einschnitt wandern auch scharenweise die Fahrgäste und damit Einnahmen ab, es bleiben Ausgleichsbeträge aus und die durchaus üppigen Erstattungen für Schwerbehinderte. Darum brächten die genannten Maßnahmen letztlich nur Einspar-Effekte von 1,2 bis 4,9 Millionen Euro. Von anderen Einbußen, etwa auf den Autoverkehr in der Stadt, auf die Qualität des Wirtschaftsstandorts und den Flächenverbrauch ist dabei noch gar nicht die Rede.

Wie viel also lässt sich bei der Evag sparen, damit Wohl und Wehe des Nahverkehrs nicht in eine Schieflage geraten? Dieser Frage wird sich schon bald die Politik annehmen müssen. Schon jetzt scheint klar: Es wird eine schwere Geburt.