Essen. Theoretisch ist Essen eine „grüne“ Stadt. Aber wer genauer hinsieht, bemerkt viel Verwahrlosung, Tristesse und ein schockierendes Maß an Vermüllung.

Der Mensch gewöhnt sich an alles, aber manchmal ist das gar nicht gut. Schleichend negative Veränderungen etwa bei den Grünflächen und Parks werden dann nämlich nicht so zur Kenntnis genommen, wie es nötig wäre. Wenn man von Städtereisen im europäischen Ausland oder in Süddeutschland zurückkehrt, ergeben sich schmerzhafte Einsichten. Dann reißt plötzlich der Schleier, der eigentlich wünschenswerte Lokalpatriotismus kommt einem in mancher Hinsicht wie Realitätsverweigerung vor.

Essen mag theoretisch ja eine „grüne“ Stadt sein, aber dieses Grün ist oft ungepflegt, verschmutzt und vernachlässigt. Teiche sind voller Algen und Müll, Spazierwege vielfach Stolperfallen, die Ruhebänke wacklig und dreckig. Und es fehlen fast überall Blumen, die das Auge erfreuen, die gute Laune machen und auch Auswärtigen zeigen: Diese Stadt mag sich, sie macht sich hübsch, sie ist sich selbst was wert. Nur wer sich selbst mag, ist übrigens auch für andere anziehend, etwa für Neubürger, an denen gerade Essen ja interessiert sein muss.

Soll keiner sagen, das seien belanglose Äußerlichkeiten. So wie Kleidung etwas über einen Menschen aussagt, so ist der Zustand des öffentlichen Grüns ein wichtiger Hinweis auf das bürgerschaftliche Klima. Wer als Bürger das Innere seines Autos in Ordnung hält, aber seinem Müll aus dem Fenster schmeißt, zeigt damit deutlich, dass er Essen nicht besonders mag, dass ihm die Stadt im Grunde egal ist. Sowas überträgt sich. Schleichend erfasst die (Selbst)-Verachtung immer mehr Menschen und irgendwann kippt die Lage.

Es ist schockierend und absurd, dass die Stadt 40 Mal soviel für die Müllbeseitigung auf Grünflächen ausgibt - ausgeben muss - als für die Bepflanzung derselben mit Blumen. Man muss es immer wieder mit Appellen versuchen, an die Erziehungspflicht der Eltern erinnern, Strafen aussprechen - auch Härte und Konsequenz sind wichtig, sonst lernen es manche nie. Noch wichtiger wäre, wenn sich in den Köpfen bewusst oder unbewusst ein Satz verfestigt wie: Das ist meine Stadt, und ich will, dass sie gut aussieht.

Die Akteure im Rathaus haben dabei eine große Verantwortung. Sie dürfen sich auf keinen Fall in Resignation flüchten. Das hartnäckige, gewissenhafte Arbeiten an der sichtbaren Substanz ist das Beste, was man machen kann. Konkretes ist wichtiger als Abstraktes, die Pflege des guten Bestandes besser als Geld für neumodischen Klimbim auszugeben. Die Liebe zur Stadt zeigt sich übrigens auch weit mehr in einem schönen Blumenbeet als in blutleerer Etikettenwirtschaft a la „Grüne Hauptstadt“. Auch letzteres kostet Geld und Arbeitskraft.