Selbstoptimierung war gestern. Dieses ganze Gesinnungs-Ertüchtigen und Prinzipien-Straffen, dieses Lust-Verkneifen und Laster-Verleugnen – vergessen Sie das mal. Wo Torsten Sträter auftritt wie am Mittwoch in der ausverkauften Lichtburg, ist die „Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben“. Sträter ist halt der große Gelassene unter den hauptamtlichen Spöttern des Ruhrgebiets. Manche werden den Hünen aus Dortmund durch seine TV-Präsenz in Dieter Nuhrs „Satire Gipfel“ kennen. Da liest der gelernte Herrenschneider inzwischen regelmäßig kurze, komische Geschichten aus einem beleuchteten Buch, die von nächtlichen, schmerzhaften Zusammenstößen mit Legostein-Bauten erzählen oder vom detailgenauen Ablauf einer Darmspiegelung. Sträter erzählt sowas ebenso beiläufig wie metaphernreich, mit diabolischem Wortwitz und Selbstironie. Und einem balsamischen Bassbariton, der wie Aloe Vera in alltagslärmgeplagte Ohren träufelt, aber eben auch nach Westkurve und Marlboro-Männlichkeit klingt. Bei seinem Gastspiel in der Schweiz haben sie gefremdelt, der Sträter und das Franken-Volk.

In Essen war das natürlich anders. Ein Fast-Heimspiel, vom „Stratmanns’ Theater“ in die schöne große Lichtburg verlegt, mit 1200 Zuhörern. Nicht schlecht für einen, der 2007 in der Stadtteilbücherei von Bochum-Wattenscheid noch vor handverlesenem Auditorium gelesen hat und sein zu spät eintrudelndes Publikum weiterhin persönlich begrüßt. In Essen lässt er sogar ein Ständchen fürs Geburtstagskind singen.

Immer auf Augenhöhe mit dem Publikum, das ist die Perspektive dieses sympathischen Spötters, der uns selbst die Griechen-Krise ganz einfach erklären könnte. Ungefähr so: „Peter hat vier Äpfel, isst aber neun.“ „Ein Pispers-Abend wird das nicht“, muss da auch Sträter schnell konstatieren. Der Dortmunder hat beschlossen, dass man am besten das vorführen kann, was einem besonders vertraut ist – die eigenen Schwachstellen. Der innere Schweinehund beim Sport und die Pfunde an den Hüften sind ebenso Themen wie der Hang zur Transpiration. Weshalb der Sträter auf der Bühne eine Mütze trägt. Saugkraft bringt aber auch optische Wiedererkennung.

Und so lacht man über die Anwendung von Bauch-weg-Gürteln und Diät-Dramen, über Sportunfälle beim Schweinehälften-Boxtraining à la Rocky und die Ausmaße von Flachbildschirmen. Aber wie sich Sträter locker durchs Allzumenschliche plaudert, so hängt irgendwann auch das Programm ein bisschen durch. Macht aber nix: Wer nach fast drei Stunden nach Hause geht, hat was über Lockerheit erfahren - auch die eigene.