Essen. . Sechsköpfige Hartz-IV-Familie kämpft mit Schäden in der 83-qm-Wohnung. Vermieter ist abgetaucht. Jobcenter Essen will Reparatur nicht vorstrecken.

Vorn lärmt die Alfredstraße, hinten die A52. Das Mehrfamilienhaus in Bredeney ist sicher nicht die erste Adresse. Aber Familie P. wohnt gern hier. Schon seit sieben Jahren. Drei der vier Kinder gehen in der Nähe zur Schule. Rüttenscheid ist nicht weit weg, der nächste Supermarkt liegt um die Ecke, genauso Bus und Bahn. Die sechsköpfige Familie lebt hier auf 83 Quadratmetern. Die Wohnung in dem Nachkriegsbau ist nett hergerichtet, so gut das eben geht, wenn man von Hartz IV lebt. Im Wohnzimmer hat die 37-jährige Mutter Emily P.* eine großblumige Tapete und kleine Stuckelemente an die Wand geklebt. Im Flur lachen bunte Kinderfotos den Besucher an.

Heizung defekt, Schimmel im Bad, Risse in der Wand

Doch seit zwei Jahren hat die Familie immer wieder Ärger mit der Wohnung. Und der hat sich mittlerweile so zugespitzt, dass selbst die Mietergemeinschaft, die sie zu Hilfe gerufen hat, mit ihrem Latein am Ende ist. Erst war im vergangenen Jahr über Monate hinweg die Heizung defekt. Nun macht sich im Bad der Schimmel breit. Ursache ist wohl ein defektes Rohr. Erste Risse treten bereits in der Wand auf, drücken das Waschbecken weg. Ein Gutachter der Mietergemeinschaft stellte fest: Solange der Leitungsschaden nicht behoben wird, bringt auch eine Schimmelsanierung nichts. Das Problem nur: Der Vermieter der Wohnung ist seit längerem abgetaucht. Die Miete, die das Jobcenter zahlt, geht seither monatlich direkt an die Bank. Diese hat zwar die Zwangsversteigerung für die Wohnung beantragt, allerdings keinen Zwangsverwalter eingesetzt. „Das hätte uns geholfen, denn dieser hätte die gleichen Pflichten wie ein Vermieter“, sagt Siw Mammitzsch von der Mietergemeinschaft.

Es gibt also keinen Ansprechpartner, geschweige denn jemanden, der sich um die Reparaturen kümmert. Auch das Jobcenter, das regelmäßig Miete für die Wohnung zahlt, hält sich heraus: Privatsache.

Als im vergangenen Jahr die Heizung ausfiel, trat die Mietergemeinschaft in Vorleistung – ausnahmsweise, wie Mammitzsch betont – und bezahlte die Reparatur. Das Geld holte sich der Mieter-Verein dann über die Mietzahlungen zurück – in Absprache mit dem Jobcenter.

Amt für Soziales und Wohnen hat keine Wohnung für sechsköpfige Familie

Ein ähnliches Modell stellt sich Siw Mammitzsch nun auch mit der kaputten Rohrleitung vor. Nur: Diesmal solle das Jobcenter in Vorleistung gehen und anschließend die Miete einbehalten. Schließlich, so argumentiert sie, sei dies günstiger, als wenn das Amt der Familie einen Umzug bezahlt. Doch das Jobcenter lehnt mit Verweis auf die Rechtslage ab: „Rechtlich ist das nicht möglich. Eine Sanierung der Bausubstanz ist Sache des Vermieters“, so eine Sprecherin.

Mittlerweile kann sich Emily P. auch schweren Herzens einen Umzug vorstellen. Beim städtischen Amt für Soziales und Wohnen hat sie bereits nachgefragt. Doch dort habe man ihr keine Wohnung für sechs Personen anbieten können. Gerade größere Sozialwohnungen in Essen sind Mangelware. Das Amt müsste außerdem nur im Notfall tätig werden. Und der wäre erst gegeben, wenn eine Räumung akut drohen würde und somit die Obdachlosigkeit. Zu allem kommt hinzu: Emily P. hat einen Eintrag bei der Schufa. Und mit dem, das weiß Mammitzsch aus Erfahrung, ist es gerade bei großen Wohnungsunternehmen nahezu aussichtslos, eine Wohnung anzumieten – selbst wenn das Geld vom Jobcenter kommt.

Als letzte Hoffnung hat Siw Mammitzsch die städtische Wohnungsaufsicht angeschrieben. Denn das neue Wohnaufsichtsgesetz in NRW soll die Kommunen darin stärken, bei akuten Wohnungsmängeln selbst tätig zu werden. Doch Städten mit akuten Haushaltsproblemen wie Essen sei es untersagt, in Vorleistung zu treten. „Wir haben von Anfang an davor gewarnt, dass das Gesetz ein zahnloser Tiger ist“, so Mammitzsch. Aus ihrer Sicht ist Familie P. ein besonders drastisches Beispiel dafür, dass es oft für Mieter keine Handhabe gibt, wenn der Vermieter insolvent und abgetaucht ist. *Name geändert