Essen. Unter dem Dach der Essener Caritas tummeln sich zahllose Einrichtungen. Nun will man Aufgaben bündeln – und zur Sozialpolitik mehr Stellung beziehen.

Seit einem halben Jahr ist Björn Enno Hermans Caritasdirektor in Essen, und wenn er die Bandbreite des großen Wohlfahrtsträgers verdeutlichen will, nimmt er ein Organigramm zur Hand: Es reicht von der Altenhilfe bis zu den Zentralen Diensten und listet die Bahnhofsmission genauso auf wie Flüchtlingsberatung, Suppenküche, Kleiderkammer oder Telefonseelsorge.

In der Mitte des Schaubilds steht Hermans selbst, dessen Position neuerdings durch ein Vorstandsamt gestärkt ist. Außerdem ist der Psychologe – formal auf halber Stelle – auf seinem alten Posten als Geschäftsführer des Sozialdienstes katholischer Frauen verblieben. Der SkF gehört zu den vielen Mitgliedseinrichtungen, die sich unter dem Dach des Caritasverbandes tummeln; und er hat ein ähnliches Profil: katholische soziale Angebote. Die aber gleichen sich zum Teil sehr, findet Hermans und nennt beispielhaft die Beratungsstellen für Prostituierte: Café Schließfach (SkF) und Nachtfalter (Caritas).

Dass Hermans nun beide Sozialverbände führt, hat mitunter zu Fusions-Gerüchten geführt, die er lächelnd beiseite schiebt. „Aber ich wünsche mir eine bessere Verzahnung ähnlicher Angebote, mehr Austausch zwischen den Mitarbeitern, mehr Nähe.“ Letzteres im Wortsinn: Künftig sollen all jene an einem Standort zusammenarbeiten, die ähnliche Aufgaben haben.

So sollen die Ehe-, Familien- und Lebensberatung sowie die Familien- und Erziehungsberatung der Caritas als Mieter an den SkF-Sitz an der Dammannstraße im Südostviertel umziehen. Schließlich gibt es dort schon Kindertagespflege und Schwangerenberatung: „Das ergänzt sich gut“, sagt Hermans. Bis Anfang 2016 solle hier ein katholisches Zentrum für Kinder, Jugend und Familie entstehen.

Die Stimmung bei den betroffenen Mitarbeitern erlebe er als gut, die Zusammenführung sei „irgendwie logisch“, heiße es. Und so will Hermans auch am Caritas-Sitz an der Niederstraße nahe der Uni das Profil schärfen: Hier will er bis Mitte 2016 soziale Dienste und Gefährdetenhilfe bündeln. Glücklich seien vor allem die Kolleginnen des Café Schließfachs, das bisher in der Maxstraße einen Kellerraum hat.

Der Platz für die neuen Mitstreiter an beiden Standorten soll übrigens durch den Auszug der Verwaltung geschaffen werden: Im Herbst will man eine neue Geschäftsstelle in der Innenstadt beziehen, die für Hermans selbst den Vorteil mit sich bringt, dass er nicht länger zwischen zwei Büros pendeln muss.

Neue Struktur für alten Verband

Der 1897 gegründete Caritasverband für die Stadt Essen ist der älteste Caritasverband in Deutschland. Heute finden sich unter seinem Dach Beratungsangebote für Suchtkranke, Wohnungslose, alte Menschen und Flüchtlinge sowie Ehe- Familien- und Erziehungsberatung und Telefonseelsorge.

Obwohl der Essener Caritas-Verband und seine Mitgliedseinrichtungen einige tausend Mitarbeiter beschäftigen, gab es bislang einen ehrenamtlichen Vorstand. Im Zuge einer bundesweiten Professionalisierung setzen nun auch die Essener auf einen hauptamtlichen Vorstand; diese Position übernimmt Björn Enno Hermans, der schon seit Juli 2014 Caritasdirektor ist.

Am gestrigen Freitag wurde Hermans feierlich als Vorstand eingeführt. Gut 150 Gäste aus Kirche, Caritas, Stadtverwaltung und Politik kamen zu dem Empfang ins Hotel Franz, bei dem auch der neue Caritasrat unter Vorsitz von Heiner Ellebracht vorgestellt wurde. Das Gremium soll als eine Art Aufsichtsrat fungieren. Ellebracht und Hermans stellten ihre Vision von der zukünftigen Arbeit der Caritas vor. Stadtkirche und Bistum waren mit Stadtdechant Jürgen Cleve und Generalvikar Klaus Pfeffer vertreten (Bild oben).

Neben den Mutterhäusern im Herzen der Stadt setzt Hermans auch auf eine Stärkung der Arbeit in den zehn Pfarreien. Sie sollen Anlaufstellen vor Ort bieten und dabei Ehrenamtliche noch besser einbeziehen – auch Jüngere.

Und schließlich müsse der Caritasverband mit seinen Mitgliedseinrichtungen – von der Contilia bis zum Franz-Sales-Haus – in der politischen Debatte sichtbarer werden. „Das wurde in der Vergangenheit vernachlässigt“, findet Hermans. „Dabei sind wir mit unseren mehreren tausend Mitarbeitern das sozialpolitische Gesicht der Stadtkirche.“ Hier müsse man sich besser abstimmen und gemeinsam auftreten. Mit ihrer sozialen Expertise und christlichen Haltung dürfe die Caritas bei aktuellen Themen wie der Betreuung von Flüchtlingen oder dem Umgang mit der Trinker-Szene nicht ungehört bleiben.