Essen. Verurteilt wurde Bilal H. (33) schon oft, saß auch schon ein. Am Freitag strahlte er. Denn der erste Freispruch in seinem Leben hatte Bestand.

„Danke!“, sagte Bilal H., als Richter Marcus Dörlemann am Freitag das Urteil der XI. Strafkammer begründet hatte. Ein Wort, das der kräftige Libanon-Syrer in der Vergangenheit eher selten zu einem Richter sagte. Immerhin hielt sein Freispruch vom Vorwurf des illegalen Waffenbesitzes auch in der Berufungsinstanz stand.

Bilal H. ist für die Essener Polizei und Strafjustiz kein Unbekannter. In der nördlichen Innenstadt ist der massige Mann eine Größe, wenn es um nicht legale Aktivitäten geht. Einige seiner Straftaten hängen aber auch mit Streitigkeiten zusammen, die er mit seiner temperamentvollen Ehefrau führt. So auch am 24. April vergangenen Jahres, als Bauarbeiter wegen einer gut zu hörenden Auseinandersetzung in der Nachbarschaft die Polizei riefen.

Die Beamten kamen und hörten den Streit schon auf der Straße. Sie gingen durch die geöffnete Tür in die 100 Quadratmeter große Wohnung und wollten schlichten. Nicht nötig, wehrten beide Eheleute ab. Man komme schon allein zurecht. Allerdings bat die 27 Jahre alte Ehefrau, dass ihr Mann die Wohnung verlassen solle.

Ehefrau präsentiert Schusswaffe

Als er mit den Beamten das Haus verließ, rannte sie plötzlich hinterher. In der Hand eine kleine Pistole. „Die gehört meinem Mann“, erklärte sie den Polizisten. Und er bemerkte, die Waffe nur zwei Tage zuvor auf dem Dachboden gefunden zu haben. Er sei nur noch nicht dazu gekommen, sie zur Polizei zu bringen.

Das kann man glauben, muss es aber nicht. „Blödsinn“, sagt Richter Dörlemann zu dieser Äußerung, die der Angeklagte später widerrufen hatte. Zuvor hatte Dörlemann die Vorstrafen von Bilal H. vorgelesen, der seit seinem 17. Lebensjahr vor Gericht stand. Zwölf Eintragungen weist sein Vorstrafenregister auf. Mit gefährlichen Körperverletzungen fing es an, mit Widerstand, Beleidigungen.

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Mit 25 Jahren fährt er erstmals ein, weil er mit einer Pumpgun Druck erzeugte. Das hat ihm zwei Jahre Haft eingebracht, aber auch eine Zeile in einem Song des Essener Rappers Sinan G: „Bilal lädt die Pumpgun, fi...die Spielothek.“ 2009 bekommt er zwei Jahre und neun Monate Haft wegen Diebstahls, steht seitdem unter Führungsaufsicht.

Da passte ihm die von seiner Frau übergebene Waffe gar nicht. Eine neue Vorstrafe drohte. Doch Amtsrichter Stefan Groß sprach ihn am 16. Dezember frei, weil die Ehefrau schwieg und ihm die Waffe deshalb nicht zuzuordnen war. „Der erste Freispruch meines Lebens“, freute Bilal H. sich damals gegenüber dem Gerichtsreporter und fügte hinzu: „Guter Richter.“

Staatsanwaltschaft legte Berufung ein

Doch die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein. Die Ausgangslage am Freitag vor dem Landgericht bleibt unverändert. Die Ehefrau schweigt, Bilal H. lässt über Verteidiger Marc Grünebaum wissen, er habe mit dieser Waffe nichts zu tun. Der Ehefrau in ihrer damaligen Erregung sei nicht zu trauen: „Sie war in Rage, hat nachgetreten.“ Staatsanwalt Ralf Schmidtmann sieht das anders, beantragt sechs Monate Haft mit Bewährung.

Doch der XI. Strafkammer bleiben Zweifel. Freispruch. „Es hat nicht gereicht“, räumt Richter Dörlemann ein. Weil die Frau geschwiegen habe, könne die Kammer nicht feststellen, wem die Waffe gehöre. Den Amtsrichter lobt er für dessen Freispruch in erster Instanz: „Er hat sich Gedanken gemacht und war näher dran an der Tat.“

Bilal H. bedankt sich, herzt vor der Saaltür seine blonde Frau. Sein Glauben an den Rechtsstaat scheint gestärkt. Noch vor dem Ausgang setzt er im Gericht seine Sonnenbrille mit dem großen „Dior“-Schriftzug auf.