Essen. In Sachen GVE wird der Ruf nach dem Staatsanwalt laut, die Politik geht spürbar auf Distanz zu Geschäftsführer Hillebrand. – Doch einige halten den Abgesang für verfrüht.

Der Nächste bitte. Wenn sich Kenner der Materie nicht täuschen, dann klärt nach Wirtschaftsprüfern und „hauseigenen“ Juristen jetzt auch die Essener Staatsanwaltschaft, ob bei der klammen städtischen Grundstücksverwaltung GVE wirklich alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Anfeuerungsrufe in diese Richtung kamen gestern noch einmal vorsorglich von den Partei-Piraten, deren Fraktionschef Kai Hemsteeg – von Beruf Kriminalkommissar – die Behörde aufforderte, „umgehend Ermittlungen gegen die Geschäftsführung der GVE einzuleiten“.

Den Weg dazu hatte am Montag bereits das Rechtsamt der Stadt geebnet. Dessen Leiterin Uta von Loewenich kam in einem fünfseitigen Vermerk zu dem Schluss, dass GVE-Chef Andreas Hillebrand vermutlich „in mehrfacher Hinsicht gegen die Legalitätspflicht sowie die Treuepflicht und wohl auch die Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung verstoßen hat“. Das Papier gilt verwaltungsintern als „toxisch“ (=giftig) und wird größtenteils unter Verschluss gehalten. Nicht einmal die Aufsichtsräte bekamen es ausgehändigt.

Dabei steht darin, was in „ihrem“ Unternehmen schief lief. Um die geharnischten Anschuldigungen zu untermauern, notiert das Schreiben acht Anhaltspunkte, in denen gleich mehrfach moniert wird, Hillebrand habe sich einen feuchten Kehricht ums städtische Miteinander geschert, habe Fragen nicht beantwortet, Mitteilungspflichten ignoriert, Unterlagen zurückgehalten und Politik wie Stadtverwaltung über die wahren Stadionkosten genauso im Unklaren gelassen wie über Nachforderungen des Finanzamtes aus dem Pachtvertrag mit Rot-Weiss Essen.

Mehr noch: Auch bei der Verpachtung des Saalbau-Restaurants „Wallberg“ an Sterne-Koch Nelson Müller sei Hillebrand „unabsehbare Risiken“ eingegangen – weil er den TV-bekannten Küchenchef für den Fall seines Ausstiegs aus dem Pachtvertrag von all jenen Ansprüchen freistellte, die sich aus den Arbeitsverhältnissen ergeben. Sollte eine reibungslose Betriebsübernahme zu Müllers Abschied Ende März scheitern, könnten womöglich 19 Mitarbeiter bei der Stadt die Hand aufhalten. Abfindungen, Vergleiche, Klagen – „das Risiko ist schwer zu beziffern“, heißt es in dem Vermerk.

Doch ohnehin treten derlei Sorgen und all die Kommunikations-Scharmützel, die vor allem die Finanzabteilung im Rathaus zur Weißglut brachten, hinter den Vorwurf zurück, GVE-Chef Hillebrand habe das Treuhandvermögen der Stadt Essen fürs Museum Folkwang „zweckwidrig“ ins Stadion investiert: „Dies stellt“, so schreibt Rechtsamts-Leiterin von Loewenich, „als strafrechtlich relevantes Verhalten eine schwere Pflichtverletzung dar“: Untreue im Sinne des Paragrafen 266 im Strafgesetzbuch.

Dass er den geplanten Verwendungszweck der zuletzt noch 5,4 Millionen Euro nicht kannte, darauf könne sich Hillebrand nicht zurückziehen: Als ehemaliger Leiter des städtischen Beteiligungs-Managements war er doch mit den Museums-Verträgen „bestens vertraut“, so von Loewenich, er „wusste, dass es sich bei den überwiesenen Instandhaltungsrücklagen um Treuhandvermögen der Stadt handelte“. Es habe daher keiner eigenen Treuhandvereinbarung bedurft, als die GVE das Geld auf ihr Konto 238956 bei der Sparkasse bunkerte.

Damit lässt von Loewenich aber auch erkennen: Es gibt keine ausdrückliche schriftliche Treuhandvereinbarung. Die Stadt, so scheint es, bezieht sich auf etwas, was man gemeint, aber womöglich nicht ausdrücklich vertraglich vereinbart hat. – Ist das womöglich das juristische Schlupfloch für GVE-Chef Andreas Hillebrand?

Einige Beobachter halten jedenfalls „den Abgesang auf Hillebrand für verfrüht“. Der hat seinerseits einen Anwalt um juristischen Rat nachgesucht, während der Aufsichtsrat der GVE die Gemengelage durch einen Advokaten der Essener Wirtschaftskanzlei Görg sortieren lässt.

Juristen haben also erst einmal das Wort, auf der Suche nach Schuldigen und dem rechtmäßigen Umgang mit den Folkwang-Millionen, deren ordnungsgemäße Bewahrung schwieriger scheint als gedacht: 2,8 Millionen Euro landeten 2012 und 2013 jedenfalls mit dem richtigen Verwendungszweck auf dem falschen GVE-Konto. Die Stadt hatte sich in der Nummer geirrt.