Essen. . Die Stadt darf Bauvorhaben nun doch genehmigen – trotz der unzureichenden Entwässerung über den Rellinghauser Mühlenbach.

Der Realisierung wichtiger Bauvorhaben in Rüttenscheid steht trotz der unzureichenden Entwässerungssituation nichts mehr im Wege. Dies teilte die Bezirksregierung Düsseldorf der Stadt Essen jetzt schwarz auf weiß mit. „Wir haben uns mit all unseren Argumenten durchsetzen können“, sagte Simone Raskob.

Zur Erinnerung: Essens Baudezernentin stand auch persönlich in der Kritik, als die Bezirksregierung Ende September 2014 für den Rellinghauser Mühlenbach ein so genanntes Verschlechterungsgebot erließ. De facto mündete die Verordnung in einen Baustopp.

Laut Raskob schloss sich die Bezirksregierung nun aber der Argumentation der Verwaltung an, wonach der Rellinghauser Mühlenbach auch dann nicht stärker belastet wird, wenn die in Rede stehenden Bauvorhaben an der Veronikastraße, an der Wittenbergstraße und an der Müller-Breslau-Straße mit insgesamt 451 Wohneinheiten fertiggestellt und an das Kanalnetz angeschlossen werden. Begründung: Mit Fertigstellung werde weniger Fläche versiegelt als es heute der Fall ist. Folglich werde weniger Niederschlagswasser in den Bach geleitet.

Auch kleinere Bauvorhaben können laut Raskob genehmigt werden. Die von der Bezirksregierung festgelegte „Bagatellgrenze“ liegt bei 20 Wohneinheiten oder bei einer maximal zu bebauenden Fläche von 250 Quadratmetern. Aus- oder Umbau bestehender Gebäude sei ebenfalls möglich.

Die Stadtwerke entlässt dies nicht aus der Pflicht, den von der Bezirksregierung geforderten Abwasserkanal im Walpurgistal zu bauen. Anfang 2018 soll der Kanal ans Netz gehen.

Investoren in Rüttenscheid atmen auf 

Post der Bezirksregierung bringt der Stadt erfahrungsgemäß nicht immer gute Nachrichten. Über den Inhalt des Schreibens, das am Donnerstag im Rathaus einging, dürfte sich neben Essens Baudezernentin Simone Raskob auch das örtliche Sanitärhandwerk freuen. Hieß es doch erst vor wenigen Monaten: In Rüttenscheid dürfe kein Waschbecken mehr montiert, keine weitere Toilettenspülung mehr betätigt werden. Dem ist mitnichten so, konnte Simone Raskob gestern mit Verweis auf besagtes Schreiben aus Düsseldorf vermelden – auch zur eigenen Genugtuung, stand die Dezernentin doch in den vergangenen Monaten ob der unsicheren Perspektiven für die städtebauliche Entwicklung Rüttenscheids und angrenzender Stadtteile öffentlich im Feuer. Anmerken ließ sich Raskob davon gestern nichts. Auf die Frage, ob die ganze Aufregung womöglich unnötig gewesen sei, antwortete die Beigeordnete mit einem knappen „Ja.“

In der Tat hatte die Bezirksregierung nicht zum ersten Mal Anstoß an der seit Jahrzehnten unzureichenden Entwässerung über den Rellinghauser Mühlenbach genommen, als sie im vergangenen Jahr den Erlass gegenüber der Stadt einer weitere Ordnungsverfügung ankündigte. Diesmal sprach die Aufsichtsbehörde jedoch ausdrücklich ein Verschlechterungsverbot aus – gültig bis zur Fertigstellung des Abwasserkanals durchs Walpurgistal. Von einem verordneten Baustopp sei zu keinem Zeitpunkt die Rede gewesen, heißt es gebetsmühlenartig in Düsseldorf. Die Stadt sah sich jedoch verwaltungsintern dazu veranlasst, Bedenken gegen die Erteilung weiterer Baugenehmigungen anzumelden. Die Folge: Investoren hingen bis zum gestrigen Tag in der Luft, in der Branche machte sich Verunsicherung breit.

Ein Investor, die Firma Adams & Partner, nahm gar Abstand von seinem Vorhaben und trat vom Kaufvertrag über das Baugrundstück an der Veronikastraße zurück. Ob die Entwässerungsfrage dafür womöglich nur einen willkommenen Anlass bot, wie die Grünen mutmaßten, ist bis heute nicht belegt.

Für einen anderen Investor, die Hopf Immobilien-Entwicklungs-Gesellschaft, die ebenfalls an der Veronikastraße bauen will, kam das Schreiben der Bezirksregierung laut Geschäftsführer Klaus Sälzer gerade noch zur rechten Zeit. Der Investor arbeitete bereits an einem Plan B: einer Entwässerung über den Borbecker Mühlenbach, was das Unternehmen „einen satten sechsstelligen Betrag gekostet“ hätte. Immerhin: Der Markt habe sich von der unsicheren Entwässerungsfrage nicht beeinflussen lassen, versichert Klaus Sälzer; von 56 geplanten Wohneinheiten seien immerhin 36 verkauft. Ob die Investoren weitere, noch in Planung befindliche Baugebiete an der Gummertstraße, der Manfredstraße, an der Wittekindstraße und an der Henri-Dunant-Straße ebenso entspannt angehen, bleibt abzuwarten. Sie sind darauf angewiesen, dass der Stauraumkanal der Stadtwerke im Walpurgistal wie versprochen 2018 fertig wird.