Essen. . Die steuerliche Absetzbarkeit von energetischer Gebäudesanierung ist vorerst gescheitert. Damit bleibt ein wichtiger Anreiz zur Modernisierung ungenutzt. Experten haben gemischte Gefühle.
Böse Überraschung für Hauseigentümer: Der bereits im Dezember beschlossene Steuerbonus für Gebäudesanierung ist nun doch vom Tisch, da sich die Koalition nicht auf die Höhe der staatlichen Förderung einigen konnte. Durch das milliardenschwere Programm hätten Eigentümer zehn bis 25 Prozent ihrer Umbaukosten steuerlich absetzen können. Hintergrund des Projekts ist die Sanierungsquote, die in Essen bei gerade mal einem Prozent liegt. Angestrebt werden aber mindestens zwei, wie Bernd Halbe, Klimamanager im Umweltamt, erklärt.
Ob die Stadt Essen ihre Energieziele nun noch erreichen kann, ist fraglich, auch wenn Bernd Halbe auf die zahlreichen anderen Anreizprogramme verweist, die Eigentümer eine Modernisierung schmackhaft machen sollen. So hat alleine die KfW-Bank in den Jahren 2009 bis 2013 etwa 185 Millionen Euro in Essen eingebracht. Das macht etwa 550 Euro pro Einwohner. Doch selbst das könnte letztlich zu wenig sein. Die Stadt will ihren CO2-Ausstoß schließlich bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent reduzieren, bezogen auf den Wert des Jahres 1990. Bislang ist es gelungen, den Kohlenstoffdioxid-Verbrauch um 29,4 Prozent zu senken. Somit bleiben also noch gute zehn Prozent, die in den nächsten fünf Jahren abgebaut werden müssen. Ein ambitioniertes Ziel.
180 Beratungsgespräche pro Jahr
Auch die Bundesregierung hat offenbar gemerkt, dass sie hier gegensteuern muss. Zum 1. März wurden daher die Zuschüsse für Beratungsgespräche deutlich erhöht. Ein- und Zweifamilienhausbesitzer werden ab sofort mit bis zu 800 statt 400 Euro gefördert. Und Eigentümer von Mehrfamilienhäusern können sich über bis zu 1100 statt 500 Euro freuen. Das sind in beiden Fällen 60 Prozent des Beraterhonorars.
Bernd Halbe von der Klimaagentur glaubt zwar nicht, dass die Gebäudesanierung nun „komplett ausgebremst wird“, allerdings gibt er zu bedenken, dass es große Unsicherheiten bei den Bürgern gebe. „Mehr Kontinuität wäre wünschenswert. Da geht es um Planungssicherheit, aber auch um Klarheit, was die verschiedenen Fördermaßnahmen angeht.“ Viele Eigentümer würden an Mythen glauben, wonach sich eine Sanierung nicht lohne oder die verbauten Materialien schnell Schimmel bilden würden. Halbe: „Diese Dinge kann man widerlegen.“
Bei der Essener Klimaagentur gab es im vergangenen Jahr rund 180 Beratungsgespräche. Zweifellos ein hoher Wert, allerdings hätte er noch ein wenig größer ausfallen können, da so mancher Hauseigentümer mit der Sanierung gewartet hat, um den erhofften Steuerbonus abgreifen zu können, bestätigt Bernd Halbe.
Problematische Gegenfinanzierung
Nach Ansicht von Jens Jensen, Steuerberater beim Beratungsunternehmen MIZ in Kettwig, macht ein finanzieller Anreiz für Sanierungsvorhaben durchaus Sinn. Er selbst werde mehrfach im Monat auf die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerksarbeiten angesprochen, berichtet Jensen im Gespräch mit der NRZ. „Sanierungen sind sehr kostenintensiv, daher ist es grundsätzlich sinnvoll, solche Vorhaben des Klimaschutzes mit steuerlichen Anreizen voranzutreiben.“ Für problematisch hielt er allerdings den Vorschlag zur Gegenfinanzierung der Steuererleichterung, der vorsah, den Handwerkerbonus drastisch einzudampfen. „Der Schaden wäre noch größer gewesen“, sagt Jensen.
Ganz ähnlich sieht das auch Ulrich Meier, Geschäftsführer der Essener Baugewerbe-Innung. „Die Änderungen beim Handwerkerbonus hätten die Branche stark beschädigt, vor allem auch deshalb, weil sie alle Gewerke getroffen hätte. Ich finde es aber auch schade, dass die steuerliche Entlastung nicht gekommen ist. Die Wirtschaft wartet schon seit drei Jahren darauf.“ Meier ist davon überzeugt, dass der Staat durch die zusätzlich Bauaktivitäten letztlich sogar einen Einnahmeüberschuss hätte erzielen können. Der Steuerbonus hätte sich so schnell wieder bezahlt gemacht. Jetzt aber würden es sich „viele Hausbesitzer überlegen, ob sie überhaupt eine Sanierung vornehmen“, denn die könne schnell bis zu 70.000 kosten.
„Ich hoffe nur, dass dies nicht das abschließende Ergebnis ist. Es geht auch um Arbeitsplätze, insbesondere bei den Malern, Tischlern, Metallbauern, Dachdeckern und Zimmerleuten“, so Meier. Auch Bernd Halbe von der Klimaagentur betont: „Für das Handwerk haben die Sanierungen einen sehr hohen Stellenwert. Die lokalen Betriebe sind der Ausrüster der Energiewende.“