Essen. Denkmalexperten sehen nach einer Besichtigung der Beitz-Villa in Essen keine schützenswerte Architektur. Ein Abriss ist so gut wie besiegelt.
Joachim Käppner, Autor einer viel gelobten Biografie über Berthold Beitz, skizziert in seinem Buch dessen Privathaus am Weg zur Platte in Bredeney so: „Ein Meisterwerk der Moderne aus den 1950er Jahren.“ Nun ist Käppner „nur“ Journalist, Ressortleiter bei der Süddeutschen Zeitung, kein Fachmann in Sachen Architektur und Denkmalschutz. Fachleute bewerten das Beitz-Anwesen, das Eigentümer Thyssen-Krupp demnächst verkaufen will, erheblich nüchterner: „Unter den Beispielen für Villen-Architektur der 1950er Jahre hat das Haus keinen besonderen Wert“, urteilt Petra Beckers, Leiterin der Denkmalbehörde der Stadt. Darin sei sie sich mit Vertretern der Oberen Denkmalbehörde einig. Gemeinsam habe man das Haus außen wie innen schon vor geraumer Zeit besichtigt.
Ein Eintrag in die Denkmalliste dürfte damit ausgeschlossen sein, was faktisch bedeutet: Ein Abriss ist so gut wie besiegelt. Wie berichtet, bereitet das Unternehmen den Verkauf vor, Immobilienentwickler sind bereits hoch interessiert. Das knapp drei Hektar große parkähnliche Grundstück liegt sehr ruhig und bietet freien Blick auf den Baldeneysee – solche Wohnbauflächen sind in Essen sehr selten.
Von bis zu 10.000 Quadratmetern Wohnfläche ist die Rede
Baurechtlich wäre es wahrscheinlich statthaft, das Beitz-Haus durch drei oder vier Gebäude mit jeweils mehreren großzügigen Eigentumswohnungen zu ersetzen. So ließe sich ein Vielfaches an Wohnraum schaffen als die Villa bot; von insgesamt bis zu 10.000 Quadratmetern Wohnfläche ist die Rede – und das mit Sicherheit zu Preisen, die weit jenseits dessen lägen, was in Essen üblich ist.
Joachim Käppner findet diesen Gedanken frevelhaft. „Es wäre eine Schande, wenn es so käme.“ Essen sollte schon aus Respekt vor Berthold Beitz und seinem Lebenswerk eine Unterschutzstellung des Hauses ernsthaft erwägen, findet der Münchener Journalist. Zudem sei die Villa mit ihrem klaren Baustil und den filigranen Details wie Balkonbrüstungen und Sonnenterrassen sehr wohl ein schönes Beispiel für eine Architektur, die den freien Geist des neuen demokratischen Landes atme – jener Geist, der gerade Beitz sehr wichtig war.
Käppner schildert in seinem Buch, dass Krupp 1953 dem neuen Generalbevollmächtigten ursprünglich eine alte, düstere Fabrikantenvilla als Dienstsitz in Essen anbieten wollte, von denen es trotz des Bombenkriegs noch hie und da einige gab. Beitz lehnte das ab. „Ich wollte gern etwas Modernes, schick, nicht so traditionell, ich wollte es locker, leicht durchsichtig“, sagte Beitz seinem Biografen.
Und genau das wurde es. Architekt war Ferdinand Streb, ein Jugendfreund von Berthold Beitz, der in Hamburg einen großen Namen hatte und zum Beispiel den eleganten, noch heute bestehenden „Alsterpavillon“ an der Binnenalster baute. Beitz, so Käppner, „liebte dieses Haus“, aus dem er bis zu seinem Tod 2013 nie mehr auszog. Nützen wird dies dem Anwesen wohl nichts. „Es steht einem Käufer natürlich frei, dieses Haus auch ohne Denkmalschutz zu erhalten“, sagt Petra Beckers. Ein frommer Wunsch, an den die städtische Denkmalexpertin vermutlich selbst nicht ganz glaubt.