Der Massen-Exodus aus der Balkan-Republik Kosovo könnte die Flüchtlingszahlen in Essen auf das Doppelte der bisher vorhergesagten Zahlen hochschnellen lassen. Die Stadt will dafür gewappnet sein.

Dass „nichts so alt ist wie die Zeitung von gestern“ – dieser Spruch gilt als echter Klassiker unter Journalisten. Und er lässt sich in diesen Tagen offenbar auch auf die Flüchtlingszahlen in Essen anwenden.

Erst am Dienstag hatte Sozialdezernent Peter Renzel um Verständnis dafür geworben, dass die Stadt – anders als geplant – ihre fünf Behelfsunterkünfte zwischen Frintrop und Kupferdreh wohl für zwei weitere Jahre nutzen muss, um den anhaltenden Zuzug neuer Flüchtlinge aufzufangen. Tenor: Damit kriegen wir die Sache dann in den Griff.

Gestern machte ein Brandbrief des NRW-Innenministers plötzlich klar, dass es mit der verlängerten Nutzung einer Handvoll Notunterkünfte wohl kaum sein Bewenden haben dürfte.

Denn der Massen-Exodus aus der Balkan-Republik Kosovo, so schreibt Ralf Jäger, wird sich in Kürze auch hierzulande niederschlagen: Monatlich, so die derzeitige Prognose, dürften gut 6.000 Flüchtlinge mehr als bisher angenommen in NRW eintreffen. Und da die Stadt Essen nach dem so genannten Königsteiner Schlüssel drei Prozent dieser zusätzlichen Asylbewerber aufzunehmen hat, wären rein rechnerisch 200 Asylbewerber mehr unterzubringen als bis dato gedacht. Wohlgemerkt: 200 monatlich.

Für die Stadt hieße das nicht weniger als eine Verdoppelung der bisherigen Flüchtlingszahlen und womöglich mehr als das. Kein Wunder, dass die bisherige Planung überholt scheint und Oberbürgermeister Reinhard Paß für heute alle Fachabteilungen zu einer Art Krisen-Sitzung ins Rathaus gerufen hat.

Und während Grüne und Linke noch die ausgeweitete Nutzung der Behelfsunterkünfte beklagten, informierte Sozialdezernent Renzel sie wenige Stunden später über die neue Hiobsbotschaft, „die uns in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten auch in Essen herausfordern wird“. Renzel geht in seinem Schreiben an die Politik „davon aus, dass uns Kommunen noch schneller als sonst Asyl-Erstantragssteller zugewiesen werden, die wir unterbringen müssen. Darauf müssen wir uns in den nächsten Tagen intensiv vorbereiten.“ Gut möglich, dass dann auch jene Unterkünfte eine Rolle spielen, deren Inanspruchnahme etwa die Grünen gestern vermissten, darunter die ehemalige LVR-Klinik an der Barkhovenallee in Heidhausen. Grüne wie Linke beklagen zudem, dass die Sozialverwaltung ihr Versprechen gebrochen habe – „Wasser auf die Mühlen von Rassisten wie Pegida und Co.“.

So oder so: Die Stadt hat keine Wahl, muss die Flüchtlinge unterbringen, während auf Bundes- und Landesebene längst die Debatte darüber eingesetzt hat, dass die Kosovo-Flüchtlinge wie auch die allermeisten anderen Ankömmlinge aus den Westbalkan-Staaten kaum Aussicht auf eine Asyl-Anerkennung haben. Allein in Essen sind 650 Flüchtlinge ausreisepflichtig.

Stand so gestern in der Zeitung. Und gilt auch noch am Tag danach.