Essen. . Das junge Paar heiratete im Oktober 1953 in der Kirche am Brandenbusch. Sie ist ein Kind dieser Stadt. Alle vier Kinder kamen im alten Krupp-Krankenhaus zur Welt. 1958 leitete er die Waldthausen-Bank
Bonn und Berlin – das sind die Orte, an denen Richard von Weizsäcker als Berufspolitiker steil aufstieg: vom einfachen Bundestagsabgeordneten zum Bundespräsidenten. Essen hingegen wird in den Nachrufen allenfalls am Rande erwähnt. Völlig zu Unrecht übrigens: Denn hier sollte das Privatleben des jungen Juristen eine ganz neue Wendung nehmen. In Essen lernt er seine Frau Marianne von Kretschmann kennen, hier schreitet er mit ihr am 10. Oktober 1953 in der Kirche am Brandenbusch vor den Traualtar. Und auch alle vier Weizsäcker-Kinder – Robert, Andreas, Marianne Beatrice und Fritz – erblicken in Essen das Licht der Welt.
Der 23. Mai 1984 ist der Tag, an dem der am Samstag verstorbene Altbundespräsident ins höchste Staatsamt gewählt wird. Die WAZ zitiert das Staatsoberhaupt an diesem Tag auf exklusive und feierliche Weise. Er sagt: „Ich grüße über diese Zeitung die Stadt meiner Kinder und meiner Frau. Ich fühle mich Essen sehr verbunden.“
Marianne von Kretschmann, Jahrgang 1932, lernt er am Lagerfeuer nach einer Hubertusjagd kennen. Damals ist Weizsäcker junger Gerichtsreferendar in Gelsenkirchen. Seine spätere Braut ist in Bredeney in der Familie des Bankiers Fritz von Waldthausen aufgewachsen. Ihre Mutter Asta von Kretschmann ist von Waldthausens Adoptivtochter. In der Goetheschule erlernt die kleine Marianne das Einmaleins, danach wechselt sie aufs Mädchengymnasium in der Grashofstraße. Eine ihrer Klassenkameradinnen ist übrigens Barbara Heinemann, deren Vater Gustav ebenfalls zum Bundespräsidenten aufsteigen soll.
Es ist eine großbürgerliche, fromme Welt, in der die spätere „First Lady“ in der Villa am Markuspfad aufwächst. Zusammen mit den Krupps, Grillos und Huyssens zählen die von Waldthausens zu den prägenden Familien der aufstrebenden Industriemetropole. Die Familie ist protestantisch geprägt, genauso wie Richard von Weizsäcker, der vor seiner Berufspolitiker-Karriere lange Präsident des Evangelischen Kirchentages ist. Auch in finsterer Zeit – so berichten Kenner der Familie – bleiben die Waldthausens fest im Glauben – und immun gegen die barbarische Nazi-Ideologie.
Von 1950 bis 1958 wirkt Richard von Weizsäcker bei Mannesmann, dann tritt er als persönlich haftender Gesellschafter in die Führung der Waldthausen-Bank in Essen und Düsseldorf ein (bis 1962). „Richard von Weizsäcker war es, der mich nach Essen geholt hat“, berichtet ein ehemaliger Mitarbeiter. Man habe in dem Bankhaus Tür an Tür gearbeitet. „Ab und zu kamen wir nach Feierabend ins Gespräch“, berichtet der Kettwiger. „Dabei fiel mir auf, dass Weizsäcker sich schon mitten im Kalten Krieg für eine Verständigung mit der DDR stark machte.“ Überhaupt hat er ihn als „tollen Chef“ in Erinnerung – brillant und scharfsinnig denkend, präzise und geschliffen formulierend.
Die junge Familie lebt von Mitte der fünfziger bis Anfang der sechziger in der Waldthausen-Villa. Wie sehr Marianne von Weizsäcker an ihrer Heimatstadt hängt, mag man daran ablesen, dass sie alle ihre vier Kinder zwischen 1954 und 1962 im „Arnold-Haus“ der Krupp’schen Krankenanstalten zur Welt bringt. „Und jedes Kind habe ich beim Standesamt Essen persönlich angemeldet“, wird der stolze Vater später zu Protokoll geben.
Erinnerungen an von Weizsäcker