Essen. . Pegida und die Anschläge von Paris haben ein islamkritisches Klima geschaffen. In islamischen Gemeinden in Essen wächst die Sorge vor Übergriffen.

Die islamische Gemeinde Essens ist beunruhigt. Jahrelang lief alles gut, berichten führende Gemeindemitglieder. Man habe stets versucht, sich zu integrieren, ein Teil Deutschlands zu sein, doch seit den Pegida-Demonstrationen und den Anschlägen von Paris ist alles anders. „Die Gemeinde zittert“, sagt Mustafa Tütüneken, ein Imam, der in Katernberg Islamwissenschaften unterrichtet. „Unsere Arbeit, unser Ansehen, alles wird auf einmal auf den Kopf gestellt.“ Der 40-Jährige muss in diesen Tagen viele Fragen beantworten. Nicht nur von Reportern und Gemeindemitgliedern, sondern auch von verunsicherten Nachbarn.

Auch der Vorsitzende der Fatih-Moschee, Özcan Akbasli, bestätigt: „Wenn das Haus voll ist, haben wir wirklich Angst. Dabei haben wir keine Schuld an der Sache.“ Akbasli zeigt auf ein Foto an der Wand. Es zeigt das alte Gebetshaus, eine typische Hinterhofmoschee, die Mitte der 90er Jahre bei einem Brandanschlag beschädigt wurde. Die Polizei kontrolliert das Areal auf der Schalker Straße regelmäßig. Die Gemeinde hat einen engen Draht zu den zuständigen Personen und ist Mitglied im Dachverband Kommission Islam und Moscheen Essen (KIME). 22 der insgesamt 26 Moscheen in der Stadt gehören dem Verband an.

Gebetet wird auf deutsch und türkisch

Vor 14 Jahren hat die Katernberger Gemeinde ihre neuen Räumlichkeiten bezogen. Die Fatih-Moschee bietet Platz für 600 Gläubige. Damit ist sie die größte in ganz Essen. 450 Familien gehören der Gemeinde an, rund 2000 Menschen. Wegen ihrer verkehrsgünstigen Lage und dem großen Parkplatz ist sie auch bei auswärtigen Gästen sehr beliebt. Gebetet wird zuerst auf türkisch und danach auf deutsch. Zum einen wegen der unterschiedlichen Nationalitäten, aber auch, weil man den Ruf ablegen will, im Verborgenen zu agieren. Was in den Predigten erzählt wird, kann sich jeder im Internet durchlesen. 130 Schulklassen kommen jedes Jahr zu einer Führung. Im Sommer häufig auch Radfahrer, die einen Tee trinken wollen. Und doch schaut so mancher Anwohner mit Skepsis auf das Minarett und die türkische Flagge.

Gerade in diesen Tagen versucht die Gemeinde durch Transparenz bei den „Einheimischen“ zu punkten. Jeder sei eingeladen, sich selbst ein Bild von der Arbeit vor Ort zu machen, versichert Özcan Akbasli. Er selbst sei auch ein Einheimischer, sagt der 37-jährige Maschinenbautechniker. „Ich bin hier geboren, ich spreche deutsch, ich arbeite hier, zahle Steuern. Natürlich gehöre ich zu Deutschland. Da ist nur diese eine Sache, die uns unterscheidet.“ Mustafa Tütüneken, der Theologe und Lehrer, gibt sich optimistisch. Der Zusammenhalt in der Katernberger Gemeinde sei gut. Radikale gäbe es nicht, sie hätten auch keine Chance sich zu etablieren.

Enger Kontakt zu den Imamen

Nach den Anschlägen habe man die Imame angewiesen, an Vernunft und Frieden zu appellieren, betont Azzadine Karioh, stellvertretender Vorsitzender von KIME. „Wir kennen unsere Imame und stehen im ständigen Kontakt zu ihnen. Auf die Gemeinden haben sie eine große Wirkung.“ In der Predigt liest sich das dann so: „Heutzutage erlebte und niemals vom Islam zu akzeptierende Ereignisse und Terrorangriffe fügen einerseits den Muslimen und dem Islam Schaden zu, die das Islambild in den Köpfen und die Sympathie zum Islam zunichte machen. Andererseits wird die Sicherheit der über 30 Millionen Muslime in Europa und die Kultur des Zusammenlebens gefährdet, die Nachbarschaft und die Begegnung mit den Nachbarn wird erschwert.“

Azzedine Karioh, Rechtsanwalt und Sprecher der Gemeinde, sagt, er sei ein frommer Mensch. Trotzdem habe er die Mohammed-Karikaturen aus Paris relativ gleichgültig hingenommen. „Zur Zeit des Propheten gab es auch Menschen, die ihn beleidigt und verspottet haben. Der Prophet hat das ignoriert. Das Problem sind die Leute, die sich ihren Islam selbst bauen.“ Der 36-Jährige sieht in der aktuellen Krise auch die Chance, den ursprünglichen Islam zu betonen. In Essen soll es dazu noch eine gesonderte Aktion geben. „Ich wünsche mir von den Muslimen in Essen mehr Engagement außerhalb der Gemeinden. In Vereinen, in der Politik. Vertrauen braucht seine Zeit.“