Essen. Ein Film, der eine Zumutung sein soll - und ein Filmemacher, der „stolz und glücklich“ ist, ihn in voller Länge zeigen zu können. Claude Lanzmann war mit „Shoa“ Sonntag in Essens Lichtburg.

Claude Lanzmann hat einmal gesagt,dass er diesen Film für die Deutschen gemacht hat, doch seit Shoah vor 30 Jahren uraufgeführt wurde, hatten sie selten Gelegenheit, das mehr als neun Stunden lange Monumentalwerk zu sehen – sieht man von den in Teilen gesendeten, teils verstümmelten Fernsehversionen ab. In der Essener Lichtburg hat man sich an diesem Sonntag auf das Wagnis eingelassen, den Film in seiner vollen Länge zu zeigen. Lanzmann nannte sich in der Lichtburg „glücklich und stolz“ darüber, dass der Film in Essen gezeigt wurde.

Lanzmanns „Shoa“ ist eine gewollte Zumutung – und dabei geht es nicht nur um die ungewöhnliche Länge des Films. Mit Shoah habe er den Genozid ,insgesamt und in seinen gigantischen Ausmaßen erfassen wollen, hat Lanzmann einmal gesagt. Er hat dazu Opfer, Täter, Zeugen gesprochen, etwa polnische Bauern, die die Züge mit den verzweifelten Juden ins Vernichtungslager Treblinka fahren sahen und den letzten Hoffenden die Hoffnung nahmen; mit der Geste der durchgeschnittenen Kehle, die sie auch vor Lanzmanns Kamera wieder zeigen. Eine Geste, die dem Zuschauer noch heute den Atem nimmt und die gleichzeitig Lanzmanns Verfahren zeigt, die von ihm befragten Menschen zu „Schaupielern ihrer selbst“ zu machen, sie in ihrer Umgebung zu re-inszenieren.

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450 Schüler sind gekommen

Der Film ist oft als Dokumentation missverstanden worden, Lanzmann bezeichnet ihn zu recht als Kunstwerk: Er zeigt keine Leichenberge, er verzichtet völlig auf Archivbilder, aber er lässt den polnischen Lokführer noch einmal die Lokomotive fahren, mit der er die Todgeweihten nach Treblinka fuhr. Und er macht aus diesen Bildern, den Worten eine Montage, die tatsächlich die gigantischen Ausmaße der Vernichtung zeigt, auch ihre bürokratische Effizienz, wenn etwa der frühere SS-Unterscharführer Franz Suchomel, den Lanzmann mit einer versteckten Kamera gefilmt hat, sagt, bei seiner Ankunft in Treblinka habe „Hochbetrieb“ geherrscht.

„Es war unbegreiflich. Vor einer Minute, einer Stunde war man noch Teil einer Familie... und mit einem Schlag waren alle tot“, so beschreibt es Abraham Bomba, der Auschwitz überlebte. Shoah hat Stimmen wie seine bewahrt, das ist auch ein Vermächtnis auch für die vielen jungen Menschen, die den bemerkenswerten Film sehen. 450 Schüler sind gekommen. nicht alle sehen sich die vollen neun Stunden an; Mancher braucht längere Pausen. Für diesen Film, von dem schon Simone de Beauvoir sagte, er lasse uns das grauenhafte Geschehen erfahren, „in unseren Köpfen, in unseren Herzen, am eigenen Leib“.