Essen. Informationen über Beitragsrückstände von OB Reinhard Paß treiben den innerparteilichen Streit auf die Spitze. Chefin Altenkamp ist im Fadenkreuz.
Auf der nach oben offenen Beschimpfungsskala für Essens Sozialdemokraten ist am Dienstagabend der GAU eingetreten – die bislang jedenfalls „Größte Anzunehmende Unterstellung“, um Verhältnisse innerhalb der hiesigen SPD zu beschreiben, und die geht so: „Das ist ja hier wie zu Nowacks Zeiten, ich fühle mich 10, 15 Jahre zurückversetzt.“
Es ist gehörig was schief gelaufen bei den Genossen, wenn man einander sechs Tage vor der partei-internen Kandidatenkür fürs Oberbürgermeister-Amt die Nowack-Keule um die Ohren haut. Schon in den vergangenen Wochen, auf dem Weg zum Mitgliederentscheid, haben sich die beiden Lager – hier das des Amtsinhabers Reinhard Paß, dort das seiner Herausforderin Angelika Kordfelder – nicht gerade geschont. Doch der Umstand, dass eine Woche vor dem Auszähltermin ein stattlicher Beitragsrückstand des OB durchsickerte, hat den Streit jetzt auf die Spitze getrieben.
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Im Dezember wäre der Schaden größer gewesen
Kein Zufall, sondern eine gezielte Durchstecherei sei das gewesen, um Paß auf den letzten Metern zu schaden, heißt es aus seinem Lager. Immerhin sei die Information selbst nur einem kleinen Teil des geschäftsführenden Vorstands und natürlich dem direkten Umfeld von Paß bekannt gewesen, weshalb im Unterbezirks-Ausschuss, dem Gremium der 33 SPD-Ortsvereine, am Dienstagabend hie und da sogar der ernsthafte Wunsch aufkam, Strafanzeige gegen den oder die unbekannte(n) Plauderer zu erstatten. Und nicht nur zwischen den Zeilen schimmerte durch, dass man niemand geringeren als Parteichefin Altenkamp diese Schmutzbuckeligkeit zutraut.
Dass man Paß einen weitaus größeren Image-Schaden zugefügt hätte, wäre die Information schon im Dezember und damit vor den vier Regionalkonferenzen lanciert worden, zu einem Zeitpunkt also, als die Vereinbarung noch nicht unterschrieben war und der Entscheid noch gar nicht begonnen hatte – mit solchen kühl kalkulierten Überlegungen muss man den Sozis dieser Tage nicht mehr kommen.
DemokratiePro und Contra neutralisieren sich
Das Klima ist vergiftet, und jeder, so scheint es, traut jedem alles zu, um seinem Lager einen taktischen Vorteil zu verschaffen: Wahlbetrügereien, Schmutz- und Schmäh-Kampagnen, organisatorische Winkelzüge. „Der Laden implodiert“, fürchten Leute, die ihn gut kennen.
Ob all dies Auswirkungen auf den laufenden Mitgliederentscheid hat, ist schwer auszumachen: Knapp 1.500 der 4.156 SPD-Mitglieder haben bislang ihr Votum abgegeben, eine Quote von 36 Prozent. Gezählt werden noch sämtliche Stimmen, die bis Montag Mittag um 12 Uhr in der SPD-Geschäftsstelle eintrudeln, und nervöse Naturen überlegen, ob die Beitragsposse um den OB womöglich dadurch ohne Belang bleibt, dass die darob Empörten für und gegen den OB sich zahlenmäßig gegenseitig neutralisieren.
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Paß-Lager will Altenkamp vorführen
Und während sich einige schon für den Kampf nach dem Kampf munitionieren, indem sie mögliche Anfechtungsgründe suchen, fragt sich mancher, wie das mit dieser SPD denn wohl weitergehen soll, wenn die Kandidaten-Frage erst einmal zwischen Angelika Kordfelder und Reinhard Paß entschieden ist. „In den Armen liegen werden wir uns wohl nicht“, heißt es seufzend.
Das Paß-Lager hat bereits Parteichefin Britta Altenkamp im Fadenkreuz, die mit ihrem Affront gegen das Stadtoberhaupt („Paß ist als OB die falsche Person“) den Streit erst losgetreten habe. Ob man damit durchkommt, bleibt offen, der Versuch jedenfalls, Altenkamp in der Sitzung des SPD-Unterbezirksausschusses dadurch vorzuführen, dass man hinterfragt, mit welchem Mandat sie eigentlich Alternativen zu Paß ausgelotet habe, fand in dem Gremium keine Mehrheit.
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Selbsterfüllende Prophezeiung?
Und es gibt ja auch andere Stimmen: Erfahrene Parteileute, die die Geschichte von der in der Mitte gespaltenen Partei nicht schon deshalb glauben, weil sie an vielen Stammtischen mit rotem SPD-Wimpel allzu gerne erzählt wird. Die fürchten, dass es nicht so weit kommen müsste, könnte das permanente Gerede von den zwei Lagern nicht wie eine Art selbsterfüllender Prophezeiung wirken.
„Da ist noch viel wegzuräumen“, heißt es. Ansonsten könne man den OB-Posten CDU-Anwärter Thomas Kufen „gleich vor die Füße legen“.