Essen. . Angesichts des Franken-Desasters pendelt die Essener Politik zwischen Spott und der Suche nach Hilfestellung.
So hatten sie sich den finanziellen Ausflug ins Schweizer Zinstal weiß Gott nicht vorgestellt: Dass ein tiefer Fall in die Überschuldung daraus wird, mit 50, 60 Millionen Euro Miesen oder wenn’s ganz schlimm kommt womöglich mit der doppelten Summe. Die Stadtspitze ist alarmiert, die Politik auch.
Zu spüren ist dabei einerseits das Bemühen, sich angesichts des Desasters bei den Krediten in Schweizer Franken nicht zu unüberlegten Reaktionen hinreißen zu lassen. „Die Abwertung kann schwerwiegende Folgen für die Essener Finanzen haben. Aber Panikreaktionen sind nicht angezeigt“, formulierten denn auch Oberbürgermeister Reinhard Paß und Stadtkämmerer Lars Martin Klieve in einer dürren Erklärung.
Man werde jetzt vielmehr „gemeinsam mit der Politik sorgfältig und gut überlegen und abwägen müssen, wie wir weiter vorgehen.“ Für kommenden Dienstag war das Thema ohnehin auf der Tagesordnung des Finanzausschusses platziert, dort sollen die Finanzfachleute im Rathaus nun Alternativen zum weiteren Vorgehen skizzieren.
"Kein Grund zu Kurzschlussreaktionen"
Denn in diesem Jahr muss ein Großteil der Kredite – über insgesamt 390 von 450 Millionen Schweizer Franken – verlängert werden. Dass man fluchtartig nur noch Euro-Darlehen aufnimmt, steht kaum zu erwarten, damit würde man sich jeder Möglichkeit berauben, das Minus zu korrigieren.
Zur Debatte könnte aber etwa stehen, für welche Laufzeit man neue Kredite aufnimmt. Kurios: Da die Schweizerische Nationalbank auf Giro-Guthaben jetzt einen noch höheren Negativzins erhebt (–0,75%) könnten die Zinskonditionen just in diesem Herbst noch spürbar günstiger ausfallen. 2014 musste sich die Stadt mit einem Zinsvorteil von 900.000 Euro zufrieden geben.
Doch für derlei Feinheiten hat die Politik derzeit keinen Blick: Sie schwankte gestern zwischen Spott und Kritik für die Finanzexperten und dem Plädoyer, „ruhig Blut“ zu bewahren, wie etwa SPD-Fraktionschef Rainer Marschan es forderte: Es gebe keinen Grund zu Kurzschlussreaktionen, bis zum Bewertungsstichtag 31. Dezember „kann noch viel passieren“. Immerhin zeige sich erneut, „dass zunächst gut erscheinende Ideen über die Jahre unabsehbare Folgen haben können.“
"Entscheidungsträger haben sich verzockt"
Die Beteuerungen von gestern seien „heute nichts mehr wert“, bekannte CDU-Fraktionschef Thomas Kufen enttäuscht – und beklagte die Anfälligkeit des Haushalts. Forscher formuliert die grüne Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger: „Nach diesem Schock muss nun endlich allen klar sein: Mit riskanten Geldgeschäften kann kein kommunaler Haushalt saniert werden.“
Die Grünen äußerten Kritik am Kämmerer, die Linksfraktion auch an Ratskollegen: „Die damaligen Entscheidungsträger haben sich böse verzockt“, so Fraktionschefin Gabriele Giesecke. Wieder einmal zeige sich, dass noch so große Ratsmehrheiten „nicht automatisch die Weisheit für sich gepachtet haben.“ Bei Soziales, Kultur und Sport werde „jeder Cent dreimal umgedreht“, durch derlei Fehlspekulationen aber „Steuergelder in Millionenhöhe verbrannt“.
Gestern Abend stand der Kurs bei 0,98 Franken je Euro. Bliebe es dabei bis Silvester, wären 85 Millionen Euro futsch.