Viel Mut beweisen die Männer des Amateur-Ensembles des Kleinen Theaters in ihrem neuen Stück: Ganz gemäß des Titels der Komödie von Kerry Renard zeigen sie, dass Männer auch in Frauenkleidern „Ganze Kerle“ sein können.
Willibald, Georg, Paul und Marek sind vier ganz normale Kerle, die bei einem Paketservice arbeiten. Nur auf ihren strengen Boss Goretzki könnten sie verzichten. Dennoch wollen sie helfen, als sie von einer drohenden Erblindung von Goretzkis Tochter erfahren: Um das Geld für die teure Operation zusammenzukratzen, wollen die Vier eine Travestieshow auf die Beine stellen – und sich selbst in die schrillen Kostüme werfen.
Offenbar hat sich die kanadische Autorin bei ihrem 2003 uraufgeführten Komödiendebüt stark vom britischen Filmerfolg „Ganz oder gar nicht“ oder dessen Bühnenadaption „Ladies’ Night“ inspirieren lassen. Waren es dort Normalos aus der englischen Arbeiterklasse, die eine Stripshow auf die Beine stellten, sind es jetzt kanadische Paketboten, die die Travestie für sich entdecken.
In der Bearbeitung des Kleinen Theaters werden aus den Kanadiern Essener, denn Regisseur Ingo Scheuer verlegt den Plot ins Hier, um die sympathischen Figuren dem Publikum noch näher zu bringen. Schade nur, dass ihm dabei die letzte Konsequenz fehlt: So mutet es z.B. nun doch seltsam an, dass der Filialleiter von seinen Angestellten mit „Sir“ angeredet werden möchte. Diesen und anderen dramaturgischen Schnitzern sowie ein allzu großer Hang zu abgestandenen Altherrenwitzen steht ein spielfreudiges Ensemble gegenüber: Thomas Vogt und Michael Busseck überzeugen als erdig-ehrliche Arbeiter, Helmut Schmitt gibt den harten Chef mit weichem Kern und Margareta Waterkamp spielt die Travestie-Trainerin mit viel Charme. Die Krone setzen dem Ganzen Sebastian Rennert und Benjamin Haase auf: Erscheinen sie als Paketboten noch etwas blass, so blühen sie während der Travestieshow-Einlage förmlich auf. Zwar kann man die Leistung der Laiendarsteller natürlich nicht mit professionellen Travestiekünstlern vergleichen. Doch gerade diese beiden legen so viel Elan ins bunte Finale, dass man sich gerne mitreißen lässt.