Ein gewöhnlicher Morgen zu Wochenbeginn: Nieselregen, unausgeschlafene Gesichter hinter beschlagenen Windschutzscheiben, die Sonne schlummert noch. Auf dem Weg zur Schule drängen sich Kinder und Jugendliche an der Haltestelle. Als der Schulbus vorfährt, huschen ein paar Nachzügler über die Straße. Autofahrer bremsen kurz ab und setzen dann zum Überholen an.
Szenen wie diese lassen sich fast täglich auf Essens Straßen beobachten. Die städtische Verkehrsunfallkommission ist deshalb ins Grübeln gekommen. Denn immer wieder missachten Verkehrsteilnehmer elementare Vorsichtsregeln und gefährden insbesondere Kinder, wenn sie Bushaltestellen passieren.
Gemeinsam rufen die Polizei und die Essener Verkehrs-AG (Evag) deshalb Autofahrer dazu auf, an so genannten „gefährlichen Haltestellen“ besonders vorsichtig zu fahren. Bei einem Appell allein will es die Polizei aber nicht belassen: Sie kündigt verstärkte Kon-trollen an Haltestellen an. Wer gegen die Verkehrsregeln verstößt, dem droht ein Bußgeld oder schlimmstenfalls sogar ein Fahrverbot.
Zwischen Karnap und Kettwig hat die Evag 33 Bushaltestellen ausgemacht, an denen das Ein- und Aussteigen besonders gefährlich ist. Gemeinsam beratschlagen die Mitglieder der Unfallkommission regelmäßig, wie solche Haltestellen sicherer werden können - so geschehen im vergangenen Jahr an der Haltestelle Stankeitstraße. Zwischen 2010 und 2012 waren dort drei Kinder. verunglückt.
Um das Ein- und Aussteigen auch an anderen gefährlichen Haltestelle sicherer zu gestalten, hat die Kommission angeordnet, dass Busfahrer beim Halten die Warnblinkanlage einschalten müssen. Ein kleines rotes Warndreieck auf dem Haltestellen-Schild weist die Fahrer darauf hin. Leuchtet das Blinklicht auf, sind Verkehrsteilnehmer gehalten, besonders vorsichtig an dem Bus vorbei zu fahren oder gegebenenfalls zu warten, bis alle Passagiere ein- oder ausgestiegen sind und der Bus seine Fahrt fortsetzt.
Denn: Autofahrern ist es verboten einen Linien- oder Schulbus zu überholen, der sich mit eingeschalteter Warnblinkanlage einer Haltestelle nähert. Ist der Bus zum Stehen gekommen, dürfen andere Verkehrsteilnehmer nur mit Schrittgeschwindigkeit, also mit maximal vier bis sieben Stundenkilometern, an dem wartenden Fahrzeug vorbeifahren - und das auch nur mit genügend großem Sicherheitsabstand, so dass niemand gefährdet wird.
So steht es in Paragraph 20 der Straßenverkehrsordnung. Besagte Regelung gilt übrigens auch für den Gegenverkehr. Das Problem: Viele Autofahrer haben nach dem Eindruck der Polizei von dieser Regel noch nichts gehört. Zwar gehört auch sie zur Führerscheinausbildung, doch der entsprechende Paragraph wurde erst 1995 in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen. Offenbar gibt es also Nachholbedarf. Auch so dürfte sich erklären, dass bei Kontrollen der Polizei an Haltestellen innerhalb von nur einer Woche mehr als 30 Verstöße festgestellt wurden.