Essen. . Auf dubiose Weise verschwanden im DRK-Altenheim Freisenbruch die Ringe und Ketten einer Bewohnerin. Rechtsanwalt spricht von “chaotischem Zustand“.

Das Vertrauen der 89-Jährigen war nahezu grenzenlos. „Die tun alles für mich“, pflegte die alte Dame fast liebevoll über die Mitarbeiterinnen des DRK-Heims in Freisenbruch zu sagen. Diese Überzeugung ging weit. Sehr weit. Im Nachhinein wohl zu weit: Es war der 17. Februar 2012, als die Seniorin einen verhängnisvollen Entschluss fasste, der unumkehrbar sein sollte und bis heute sowohl die Justiz, Rechtsanwälte, Sachverständige als auch die Angehörigen beschäftigt.

Weil sie Angst hatte, dass ihr Schmuck aus ihrem Zimmer in dem Haus an der Minnesängerstraße gestohlen werden könnte, gab sie ihn in die Obhut des Personals. In einem großen Briefumschlag und einer schwarzen Schatulle, die die 89-Jährige drei Mitarbeiterinnen des Altenheims aushändigte, befanden sich zwei Perlenketten, 15 Anhänger, 22 Ringe, fünf Armbänder, 22 Ketten, zwei Uhren, neun Paar Ohrringe und ein Clip – alles fein säuberlich dokumentiert auf einer handschriftlichen Liste mit der Zeile „Zur Aufbewahrung von Frau R.“ und unterschrieben von der Eigentümerin der Wertsachen sowie den drei Menschen ihres Vertrauens.

Nahezu eineinhalb Jahre zogen danach ohne jeden Argwohn ins Land, bis im Juli des vergangenen Jahres das böse Erwachen auf die Heimbewohnerin wartete: Als sich die ältere Dame kurz vor ihrem 90. Geburtstag ihren Schmuck aus dem eigens dafür vorgesehenen sicheren Tresor des Hauses holen lassen wollte, waren Ringe, Ketten, Perlen, einfach alles, verschwunden. Bis heute fehlt jede Spur von den Wertsachen. Ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls, das die Schuldigen ausfindig machen sollte, ist inzwischen erfolglos eingestellt worden, eine Wiedergutmachung jedoch bis heute Fehlanzeige.

Vergleichsangebot über 10.000 Euro

Am 19. Januar wird ein Gericht entscheiden, ob und in welcher Höhe Schadensersatz gezahlt werden muss. Das Opfer beziffert den Wert des Schmucks auf rund 25.000 Euro, kann ihn anhand von Rechnungen aber nur zum Teil nachweisen. Die Versicherung des Heimträgers hat einen Vergleich vorgeschlagen, will aber nicht mehr als 10.000 Euro zahlen.

Zu wenig, sagt Traudlinde Voßwinkel, die Tochter der inzwischen 91-Jährigen, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, weil sie Nachteile befürchtet. Für Rechtsanwalt Sascha Conradi ist die Sache eindeutig: Bei einem ersten Erörterungstermin seien bereits „grobe Pflichtverstöße“ durch das Heimpersonal festgestellt worden, sagt der Jurist, der zudem von Beweisvereitelung spricht. Erst zwei Monate, nachdem das Verschwinden des Schmucks entdeckt worden sei, habe das Rote Kreuz Strafanzeige erstattet: „Hierdurch wurde die Aufklärung des Vorfalls mehr als erschwert.“ Dennoch zeige das DRK bis heute „keine Neigung, sich zu verständigen“.

Auf Anfrage ließ Kreisverbands-Sprecher Christian Kuhlmann wissen, dass man den Vorfall zwar kenne, doch aufgrund des laufenden Verfahrens keine Auskunft geben kann. Nur die: Dass für Heimbewohner durchaus die Möglichkeit bestehe, ihren Schmuck oder Wertgegenstände in einem sicheren Tresor des Hauses einschließen zu lassen.

Ringe und Ketten im Medikamenten-Schrank 

Dass ihre Ringen und Ketten dort ebenfalls landen – davon ist auch ihre Mutter ausgegangen, sagt Traudlinde Voßkamp. Doch alles andere war der Fall: Wie die polizeilichen Ermittlungen ergaben, wurde der Schmuck in einem Medikamenten-Schrank des Stationszimmers gelagert. Das hätte nie passieren dürfen, sagt ein Kripobeamter, weil jedermann Zugang zu dem Fach hatte.

Zudem lag der Schlüssel auf dem Küchentisch herum, so dass eine nicht überschaubare Anzahl von Personen Zugriffsmöglichkeiten auf den BTM-Schrank hatte, so Rechtsanwalt Conradi, für den „die gesamten Umstände zeigen, welch chaotischer Zustand in dem Altenpflegeheim herrschte“. Und auch die ermittelnden Kripo-Beamten lassen in ihrem Schlussbericht keinen Zweifel daran, dass mit den Wertsachen der Seniorin auf unglaubliche Art und Weise geschlampt wurde.

Schmuck konnte nicht zugeordnet werden

So habe das Personal auf der Suche nach den Schmuckstücken im Juli des vergangenen Jahres Schmuck in dem Tresor des Heimes gefunden, „der niemandem zugeordnet werden konnte“, so Conradi, der von einem eklatanten Sorgfaltsverstoß spricht. „In vielfacher Weise wurde sowohl von der Pflegedienstleitung als auch durch einzelne Mitarbeiter in gröbster Weise gegen Sorgfaltspflichten verstoßen“, heißt es in einem Schreiben des Anwalts an das Landgericht, das eine Haftung durch das DRK nicht anzweifele.

„Es ist jedoch schwer für die Klägerin, die Schadenssumme im Einzelnen nachzuweisen, sagt Conradi. 15.000 Euro möchte Traudlinde Voßwinkel ersetzt haben – auch um die Anwalts- und Gerichtskosten bezahlen zu können. Nun läuft die Familie allerdings Gefahr, im Januar mit ganz leeren Händen dazustehen.

Am Anfang war das Vertrauen, am Ende bleibt ein ziemlich schmuckloses Verhalten.