Essen. . Natalie Griedl hatte unerfreuliche Begegnungen mit dem Jobcenter. Bislang konnte ihr niemand bei ihrem Aufstockungs-Antrag helfen. Behörde spricht von personellen Engpässen.

Stundenlanges vergebliches Warten, eine unfreundliche Abfuhr und am Ende noch ein drohendes Hausverbot: Der Fall von Natalie Griedl erinnert an eine Bürokratie, die – um es nett zu formulieren – wenig zeitgemäß ist. Die Juristin aus Huttrop versuchte zwei Mal vergeblich einen Aufstockungsantrag beim Essener Jobcenter einzureichen. Am Montag und Dienstag stellte sie sich um acht Uhr morgens in die Schlange und wartete – beide Male wurde sie unverrichteter Dinge weggeschickt. Die Bearbeitungsliste sei geschlossen, sagte man ihr, so die 27-Jährige. Wovon sie denn leben solle, wenn ihr Fall ständig verschoben werde, wollte sie daraufhin wissen. „Das ist nicht unser Problem“, habe ein Mitarbeiter geantwortet.

Kein Einzelfall

Griedl, die vor wenigen Wochen ihr Zweites Staatsexamen abgeschlossen hat und sich nun in der Bewerbungsphase für ihre erste Anstellung befindet, ist merklich verärgert. Ihrer Meinung nach sei sie kein Einzelfall. Dass hätten ihr die Gespräche mit anderen wartenden Kunden deutlich gemacht. „Da ich um acht Uhr angeblich zu spät war, müssen ja alle, die nach mir gekommen sind, auch weggeschickt worden sein“, so die Essenerin. Herbe Kritik übt sie auch am Verhalten der Mitarbeiter. „Als ich mich beschweren wollte und nach dem Namen des Vorgesetzten gefragt habe, hat man mir mit Hausverbot gedroht und gesagt, dass ich dann ja auch keinen Antrag mehr abgeben könne.“

Dietmar Gutschmidt, Chef des Jobcenters, versucht auf Nachfrage zu beschwichtigen: „Bei uns sprechen jeden Monat 2.730 Neukunden vor. Momentan haben wir ein erhöhtes Kundenaufkommen, da zum 1. Januar die Regelsätze steigen. Dazu kommt, dass die Betriebsferien anstehen und wir krankheitsbedingt nur eng besetzt sind.“ Nach Angaben des Behördenleiters sei es derzeit so, dass zehn bis 20 Kunden pro Monat nicht im üblichen Tagesablauf bedient werden könnten und ein drittes Mal vorsprechen müssten. Für diese Fälle sei allerdings ein Termin vorgesehen, den die Mitarbeiter des Jobcenters den Kunden automatisch anbieten müssten. „Das ist bei Frau Griedl nicht geschehen, was ich sehr bedaure.“

Gutschmidt versichert, dass Anträge normalerweise sofort angenommen würden und man jetzt personell nachgesteuert hätte. Doch was ist mit den Vorwürfen zum Verhalten zweier Mitarbeiter? Kann es tatsächlich sein, dass einer jungen Kundin mit Hausverbot gedroht wird? „Wir haben mit den betroffenen Mitarbeitern gesprochen und können die Vorwürfe nicht bestätigen. Ich war auch nicht dabei“, lautet Gutschmidts knappe Erklärung. „Das ist auch eine Stresssituation für meine Kollegen.“

Dass es beim Jobcenter häufiger zu derartigen Problemen kommt, bestätigt Jörg Bütefür, Vorsitzender des Hartz 4-Netzwerks BG 45. „Wir hören immer wieder, dass Leute weggeschickt werden. Auch dass Kunden schnell Hausverbot angedroht wird.“ So ein Verhalten sei „menschenverachtend und leider kein Einzelfall“, so Bütefür: „Mit den ganzen angeblichen Einzelfällen könnten wir inzwischen ganze Bücher füllen.“

Gesetzlich verpflichtet

Bütefür verweist auf die Pflichten, die das Jobcenter gegenüber seinen Kunden habe. Sein Fazit: „Diese Leute sind keine Bittsteller. Das Jobcenter hat einen gesetzlichen Auftrag und ist dafür da, Menschen, die darauf angewiesen sind, Geld für den Lebensunterhalt zu geben.“ Wenn kein Personal da sei, müsse eben welches eingestellt werden, betont Jörg Bütefür, der einen weiteren Aspekt kritisiert: „Eigentlich müsste das Jobcenter die bereits aufgenommenen Kunden auch beraten, aber das können die gar nicht leisten. Deswegen werden unsere Beratungsstellen Woche für Woche überrannt.“ Der Vereinsvorsitzende rechnet vor: In allen freien Einrichtungen, darunter die der Diakonie, der SPD und von BG 45 seien in diesem Jahr bis zu 10.000 Gespräche geführt worden. „Wir haben die Zahl erneut hochgerechnet – es sind wirklich so viele Fälle.“

Aussage gegen Aussage

Nachdem sich die NRZ am Dienstag des Problems von Natalie Griedl angenommen hatte, konnte das Jobcenter der 27-Jährigen einen festen Termin anbieten. Am Mittwochvormittag wird sie ihren Antrag am Berliner Platz abgeben können. Dass sich grundsätzlich etwas am Umgang mit den Kunden ändert, glaubt die junge Frau allerdings nicht. „Mich hat die Teamleiterin angerufen und mir erklärt, dass ich als Juristin ja wissen müsste, dass Sachverhaltsaufklärung ein schwieriges Unterfangen sei. Die Behörde stellt sich aus meiner Sicht hinter ihre Leute und ich stehe jetzt im Grunde als Lügnerin da.“