Essen. . Der Respekt sinkt, die Gewalt steigt: Für Essener Beamte gehören Attacken, Verletzungen und Bedrohungen inzwischen zum Dienst. Eine Arbeitsgruppe befasst sich derzeit mit der Situation und Themen wie Betreuung der Polizisten nach Einsätzen sowie Fürsorge der Vorgesetzten. Anlass ist eine NRW-Studie.
Prellungen, Blutergüsse oder Knochenbrüche: Das sind Verletzungen, mit denen Polizisten von Einsätzen zurückkehren. Mehr als eine Gewaltattacke am Tag, das ist Alltag auch in Essen. Und in Köln bei der Hooligan-Randale wurden kürzlich gar 14 Essener Beamte der Hundertschaft verletzt. Am Hauptbahnhof würgte am Wochenende ein Fußball-Fan einen Polizisten bis zur Bewusstlosigkeit. Doch es sind längst nicht nur Demos oder Fußballspiele, bei denen Gewalt gegen die Polizei eskaliert. Auch im Streifendienst stehen Beamte plötzlich Streitenden gegenüber, die sich verbünden und einen neuen gemeinsamen Feind entdecken: die Polizei.
Nimmt man die psychische Gewalt wie Beleidigung und Bedrohung hinzu, sagt Holger Schepanski, Leiter der Polizei-Inspektion Süd, „passiert es mehr als einmal täglich“. Dabei sind es nicht einmal extrem gestiegene Zahlen, die der Polizei Sorge bereiten, sondern vielmehr die Intensität der Gewalttaten. 2013 veröffentlichte das NRW-Innenministerium eine Studie zur Gewalt gegen Polizeibeamte. In Essen setzen sich mit dieser im Auftrag der Polizeipräsidentin zwölf Beamte verschiedener Direktionen auseinander. Zur Arbeitsgruppe gehören Holger Schepanski und Thomas Hanses, Leiter der Führungsstelle in der Inspektion Süd.
Themen, die wichtig sind
Was läuft gut, wo hakt es: Das wollen sie für ihr Präsidium feststellen, um Empfehlungen an die Behördenleitung weiterzureichen. Die Themen betreffen Betreuung, Fürsorge der Führungskräfte, Fortbildung oder körperliche Fitness. „Hier sind wir mit einem großen Sportangebot, das die Kollegen intensiv nutzen, gut aufgestellt“, nennt Hanses einen positiven Aspekt. Ein weiterer trifft ein Kernthema: den Umgang bei Einsätzen mit negativen Erfahrungen.
Mehr Standards
Grundsätzlich gehört zu jedem Einsatz eine Nachbearbeitung. Erforderlich sei aber mehr Standard, weniger Zufall, lautet eine Erkenntnis. Bislang muss etwa der betroffene Beamte ausdrücklich um Unterstützung bitten. Die Studie kritisierte zudem, dass zu wenige Polizisten wissen, wo sie überhaupt Hilfe erhalten. „Inzwischen sind die Anlaufstellen in unserem Intranet gelistet“, sagt Schepanski.
Denn Ärzte, psychologisch geschulte Polizeibeamte, Opferschutzbeauftragte oder Polizeiseelsorge stehen auf Landes- sowie auf lokaler Ebene bereit. Möglicherweise muss bei manchem Polizisten aber erst noch die Hemmschwelle sinken, Hilfe zu suchen. Dazu könne nun die Diskussion und die Akzeptanz des Themas in den Behörden beitragen, sagt Schepanski. Dienstalltag ist es längst, wenn etwa lärmende Partygäste auf die Polizei stürmen, satt die Musik leiser zu drehen.
Der Notruf
Bei häuslicher Gewalt wähle die Frau mitunter erst den Notruf, um dann mit ihrem Mann oder der gesamten Großfamilie die Beamten zu attackieren. „Hier verzeichnen wir eine enorme Zunahme“, beschreibt Schepanski sein subjektives Gefühl. Streithähne, die sich verbrüdern und auf die Polizei losgehen, binden mitunter eine Nacht lang mehrere Streifenwagen.
Zahlen veröffentlicht die Polizei derzeit nicht, sagt aber: „Mit diesen Situationen werden wir täglich konfrontiert wird.“ Es sind gesellschaftliche Veränderungen und andere Kulturweisen, die sich auch auf die Arbeit der Polizei auswirken – in fehlendem Respekt oder dem Verständnis von der Rolle der Frau. Schepanski: „Da entstehen Probleme und Konflikte.“ So gibt es die Einsätze, zu denen die Polizei inzwischen mit acht statt zwei Streifenwagen fährt. Eigenschutz. Vor allem jüngeren Kollegen kehren mitunter stark betroffen von Einsätzen zurück – und manchmal auch verletzt.