Finale für das Festival „Now!“: Der Stummfilm-Held erscheint vor pathetischer Klangkulisse, dazu gibt es eine „rituelle Soundmesse“ mit Video und Beethoven brutal. Essener Schüler sorgen im Januar noch für eine Zugabe.

Mit einer geballten Aufführungs-Serie fand das Essener Festival für Neue Musik „Now!“ am Wochenende einen beeindruckenden Abschluss. Bevor die Essener Philharmoniker mit der Uraufführung des Auftragswerks „Tropes“ von Oliver Schneller den ultimativen Schlusspunkt setzten, wurde das Motto des diesjährigen Festivals „Parallelwelten“ so vielfältig reflektiert wie in den zwei zurückliegenden Wochen.

Ohne falsch gemeinte Harmonie

Dazu zählt ein Konzertabend mit den Bochumer Symphoniker, die unter der Leitung von Peter Hirsch ihre erstklassige Spielqualität untermauerten. Vor allem mit dem besten und zugleich ältesten Werk des Abends, Bernd Alois Zimmermanns „Alagoana – Caprichos brasileiros“, in dem Zimmermann bereits seit gut 50 Jahren mit bestrickender Energie und Farbkraft lateinamerikanische und europäische Elemente aufeinanderprallen lässt, ohne sie in falsch gemeinter Harmonie verbinden zu wollen. Von diesem geistigen und handwerklichen Niveau weit entfernt ist Michael Gordons „Rewriting Beethoven’s Seventh Symphony“, eine minimalistische Verwurstung einiger Themen aus Beethovens 7. Symphonie. So brutal, wie sich Gordon Beethovens Musik merkwürdigerweise vorstellt.

Laut, wenn auch nicht immer, geht es auch in Olga Neuwirths „locus – doublure – solus“ für Klavier und Orchester zu. Ein umfangreiches, vielsätziges Werk mit stilistischen Kontrasten, mit dankbaren Aufgaben für den fabelhaften Solisten Marino Formenti, das freilich, im Gegensatz zu Zimmermann, ein wenig vordergründig die vielseitige Handschrift der Komponistin zur Schau stellen will.

Thema Parallelwelten

Das Festival „Now!“ hat sich in diesem Jahr dem Thema „Parallelwelten“ gewidmet. Auf dem Programm standen hochkarätige Uraufführungen und Konzerte.

Eine „Now!“Zugabe gibt es am 30. Januar 2015. Essener Schüler präsentieren ihr Kompositionsprojekt „sound LAB“ beim Abschlusskonzert im RWE-Pavillon.

Anschließend stimmte das E-Mex-Ensemble mit Fausto Romitellis „ritueller Soundmesse“ „An Index of Metals“ sanftere Töne an, zu aufwendigen Video-Projektionen auf drei Leinwänden plus Elektronik. Eine beruhigende Oase nach den Knallkörpern der Bochumer Symphoniker. Ob der vor zehn Jahren verstorbene Komponist damit ein „völlig neues Konzept“ für das Musiktheater erschlossen hat, wie er behauptete, darüber lässt sich allerdings diskutieren.

Mit musikalischen Experimenten zu den Comic-Klassikern „Krazy Cat“ begann das Festival, mit Benedict Masons musikalischen Impressionen zu „Chaplin Operas“ geht es in die Schlussphase. Zu drei Stummfilm-Klassikern des „Tramps“ tönt es aus allen Rohren, wenn das brillante „Ensemble modern“ unter Leitung von Frank Ollu jede Erinnerung an die sentimentalen Original-Musiken Chaplins ausradieren möchte. Das gelingt Mason mit seiner hochvirtuosen, oft brutalen Musik ohne Zweifel. Allerdings drängt sich die Musik so stark in den Vordergrund, dass die Klangkulisse ungewollt pathetische Züge annimmt und die feine Ironie der Filme konterkariert. Hohen Unterhaltungswert hatte die Veranstaltung wie auch das gesamte Festival dennoch.

www.philharmonie-essen.de.