Essen.. Die Essener Verkehrswacht hat zum Alkoholtest im Selbstversuch eingeladen – und zwar Staatsanwälte, Richter und Oberamtsanwälte. „Die Menschen, die in der Justiz arbeiten, sollen spüren wie es ist, unter Alkoholeinfluss Auto zu fahren“, erklärt Karl-Heinz Webels, Vorsitzender der Verkehrswacht.
Die Situation erscheint ein wenig absurd. Mitarbeiter der Dekra stehen auf dem Gelände der Niederlassung am Sulterkamp in Essen und verteilen Freibier. Während Karl-Heinz Webels, Vorsitzender der Verkehrswacht, Weiß- oder Rotwein einschenkt.
Gezecht wird an diesem Tag dabei rein dienstlich. Bei den Gästen handelt es sich nämlich um Vertreter der Essener Justiz; sprich: um Staatsanwälte, Richter und Oberamtsanwälte. Also genau die Personen, die sonst bei Alkoholdelikten ermitteln und über Bußgelder oder mögliche Verurteilungen entscheiden.
Richter nach fünf Bier am Steuer
26 von ihnen sind der Einladung zum „Alkoholtest im Selbstversuch“ gefolgt. „Die Menschen, die in der Justiz arbeiten, sollen mal am eigenen Leibe spüren wie es ist, unter Alkoholeinfluss Auto zu fahren“, erklärt Karl-Heinz Webels.
So aufschlussreich diese Aktion ist, so erschreckender sind gleichzeitig die Erkenntnisse. Nach fünf Gläsern Bier setzt sich Richter Gerd Hamme ins Auto und steuert den Kleinwagen rasant durch den Hindernisparcours. Das Slalomfahren und auch das Einparken gelingen dem Richter noch ganz passabel, jedoch gesteht er selber: „Wäre ich nüchtern gewesen, hätte ich nicht so viel Gas gegeben, ich wäre wesentlich vorsichtiger gefahren.“ Das spiegelt sich auch in der Aussage von Diplom-Psychologin Nina Pollack wieder. „Mit steigendem Alkoholkonsum nimmt auch die Risikobereitschaft zu. Man überschätzt sich schnell“, sagt die Leiterin der Begutachtungsstelle für Fahrneigung.
"Vom Gefühl her kann ich nicht mehr fahren“
Mit über einem Liter Bier intus kommt Gerd Hamme auf einen Promillewert von 0,3. Damit hat er die Promillegrenze von 0,5 zwar noch nicht erreicht, dürfte also fahren, jedoch: „In dem Zustand würde ich mich nicht mehr ans Steuer setzen. Vom Gefühl her kann ich nicht mehr fahren“, so Hamme.
Für Maria Abel-Dassler wäre das unter anderem ein Grund, eine 0,0-Promillegrenze einzuführen. „Bei mir wirkt sich schon ein Glas Wein aus; damit bin ich schon subjektiv betrunken“, erzählt die Staatsanwältin und stellvertretende Vorsitzende der Verkehrswacht Essen.
Am Nachmittag und einige Bierchen später wird dann bei allen Teilnehmern deutlich, wie gefährlich ein erhöhter Konsum von berauschenden Mitteln sein kann. Die aufgestellten Pylonen fliegen durch die Gegend und vor dem rollenden Ball auf der Fahrbahn kommen die meisten erst viel zu spät zum Bremsen. Vom Einparken ganz zu Schweigen.