Freud und Leid eines Essener Bahnpendlers im Revier
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Essen/Witten. Die streikenden Lokführer wollten Frank Lange aus Freisenbruch einen sehr langen Tag bescheren. Dank der Taxifahrt mit der WAZ erreichte der 42-Jährige seine Firma am Freitag in lediglich vierzig Minuten – und berichtete uns dabei aus seinem Alltag als Pendler.
Es ist Freitag, der zweite Tag des Lokführerstreiks. Der so genannte „Rekordstreik“, der Millionen Bahngäste auf die Palme bringt. Nur Frank Lange aus Freisenbruch, seit jeher Pendler mit Bus und Bahn, ist an diesem Freitagmorgen guter Dinge. Er sagt: „Danke, WAZ!“. Danke dafür, dass diese Zeitung ihn frühmorgens mit einem Mietwagen zur Arbeitsstelle nach Witten bringt und am Nachmittag wieder abholen wird. Zwei schnelle Fahrten, die der Streikgeschädigte als wahre Wohltat empfindet. Im Gespräch mit den WAZ-Reportern, die ihn bei der Taxifahrt begleiten, berichtet der 42-Jährige über seine vielen Leiden und gelegentlichen Freuden als Bahnpendler.
7.10 Uhr Das Protokoll unserer Dienstfahrt beginnt am Immengarten 10 in Freisenbruch. Hier wohnt Frank Lange mit seiner Frau. Hier bricht er jeden Morgen auf, um seinen Arbeitsplatz in Witten zu erreichen - an idealen Tagen eine 75-Minuten-Fahrt. Der gelernte Kaufmann ist Sachbearbeiter bei der US-Firma „Hill-Rom“, einer der Weltmarktführer für Hightech-Krankenhausbetten.
7.12 Uhr Fahrer Rolf Habermehl steuert die A 40-Auffahrt an. „Wir haben ein Auto, aber ich besitze keinen Führerschein“, sagt Lange. Im Ballungsraum Ruhrgebiet setzt er absichtlich auf Bus und Bahn als Transportmittel zur Arbeit. „Das ist günstiger und eigentlich komme ich damit gut weg.“ Und Lange bringt eine Tugend mit, ohne die Bahnpendler verloren wären: Geduld. Sein Ticket 2000 kostet monatlich 106,90 Euro. Es sei vier Euro teurer geworden, dafür habe die Leistung nachgelassen. „Dass S-Bahnen keine Toiletten mehr haben, bringt besonders ältere Fahrgäste regelmäßig zur Verzweiflung.“
7.20 Uhr Stau auf der A 40! Das war zu erwarten. Denn viele Opfer des Lokführerstreiks müssen zwangsläufig aufs Auto umsteigen. „Wegen des Streiks bin ich sauer und enttäuscht“, sagt Lange. Es sei ein Streik, der auf Kosten aller gehe und damit ungerecht sei.
7.23 Uhr Er schaut auf sein Z1-Smartphone. „Das ist für mich als Bahnfahrer oft der Retter.“ Jetzt blickt er auf die Anzeigetafel des Hauptbahnhofs, die das WAZ-Internetportal verlinkt hat. „Ein toller Service!“. Ohne Taxi-Freifahrt hätte Lange eine Zitterpartie mit zwei oder eher sogar drei Stunden in Bus und Bahn vor sich gehabt. Statt um 7.10 hätte er um 5.40 Uhr losfahren müssen: mit dem 170er bis S-Bahnhof Steele Ost und von dort um 6.21 Uhr in die S1. Normalerweise fährt sie drei-, heute aber nur einmal pro Stunde. Oder gar nicht. „Es gibt keine Garantie, Bahnfahren ist ein Risikospiel“, sagt Lange mit säuerlicher Miene. Völlig ungewiss wäre obendrein die Rückfahrt am Feierabend gewesen.
7.35 Uhr Das Miettaxi ist von der rappelvollen A 40 ab- und auf die weniger frequentierte A 43 aufgefahren. „Wenn die S-Bahn überhaupt nicht fährt, habe ich den Super-Gau - wie nach dem Pfingststurm.“ Weil dieser einen halben Wald auf die Gleise gelegt hatte, brauchte er für die 30 Kilometer von Zuhause zur Arbeit sagenhafte drei Stunden in Bus und Tram. Sogar mit dem Rad wäre er schneller gewesen.
7.45 Uhr Von der A 43 geht’s auf die A 44. Endspurt. Langes Stimmung hebt sich. Nun erzählt er von schönen Bahnerlebnissen. Eines Morgens etwa sah er das Ehepaar Müntefering auf dem Bahnsteig und sprach den früheren SPD-Chef an. Dieser habe freundlich gefragt: „Willst du ein Erinnerungsfoto?“ Worauf Lange freudig einwilligte und Michelle Müntefering knipste. Ein andermal standen neben ihm plötzlich die Schalke 04-Stars, die unterwegs waren zum Auswärtsspiel nach Stuttgart.
Mit dem WAZ-Taxi zum Arbeitsplatz
1/15
7.50 UhrAnkunft nach 40 Minuten Fahrt bei der Firma im Wullener Feld 79. Er betritt das Foyer und strahlt: „Ich bin ausgeruht und glücklich, ich bin wach und ich bin am Ziel – danke WAZ.“
8.00 Uhr Hallo Frank“, sagt Abteilungsleiterin Tze-Mie Schindler, als Lange seinen Rechner hochfährt – eine halbe Stunde früher als sonst.
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