Katernberg. .

Willkommen im „Jugendhaus Nord“, einem Treff der Evangelischen Gemeinde an der Josef-Hoeren-Straße, nicht weit entfernt von der Zollverein-Kokerei. Hier ist täglich geöffnet ab 13 Uhr. Jugendliche sitzen vor bunten Wänden in ausladenden Sofas, und Heiko erzählt, dass er schon seit 18 Jahren herkommt, Heiko ist 25, das heißt: seit seinem siebten Lebensjahr, „fast täglich“. Was er hier findet? „Nette Leute“, sagt Heiko, der ansonsten im Leben als Sicherheits-Fachkraft arbeitet. Maike ist 14 und fand über ein Schulpraktikum her, jetzt kommt sie fast seit einem Jahr, immer, wenn die Schule aus ist, „hier sind viele Leute, hier ist immer jemand da.“ Gina (15) hatte früher viel „Stress zu Hause“, hier fand sie Hilfe, auch wichtige Kontakt-Adressen, jetzt wohnt Gina woanders, nicht mehr bei den Eltern. Und Rawan (20) will mal Sozialarbeit studieren, sie kommt auch regelmäßig her, und am besten sind die Fahrten auf den Kirchentag, erzählt sie, oder zuletzt waren sie in Weimar, an der Gedenkstätte Buchenwald.

Willkommen im Jugendhaus Nord, und all’ die Geschichten, die die Jugendlichen hier erzählen, sind „budgetrelevante Effekte“. Willkommen in der Sprache der Sozialpädagogen.

Im Jugendhaus Nord arbeitet neben dem Chef des Hauses, Gerald Weiße, auch die Sozialpädagogin Sonja Rousseau. Sie selbst kommt aus Katernberg-Beisen, war früher selbst viel in Jugendzentren unterwegs, machte in einer Offenen Einrichtung ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und studierte in Bochum Sozialpädagogik. Weil die Evangelische Kirchengemeinde und das Jugendamt Essen sich zusammentaten für ein Modellprojekt, kann für Sonja Rousseau die Stelle finanziert werden. Obwohl alle Beteiligten die Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und Stadtverwaltung überschwänglich loben, ist derzeit unklar, ob Sonja Rousseau nach dem Februar 2015 weiter im Jugendhaus Nord beschäftigt werden kann. „Dabei“, sagt sie, „ist ja klar, dass die Intensität der Betreuung viel intensiver ist, wenn zwei Hauptamtliche da sind als nur einer.“

Von „budgetrelevanten Effekten“ spricht das Jugendamt, wenn es merkt, dass sich Sozialarbeit auszahlt. Wenn weniger Jugendliche mit „Maßnahmen“ versorgt werden müssen, weil Krisen akut sind: mit teuren Plätzen in einer Wohngruppe, mit Therapie, mit Erziehungshilfen für die Eltern. Die Arbeit im Jugendhaus Nord, auch die Arbeit von Sonja Rousseau, habe solche „budgetrelevanten Effekte“ erzielt, heißt es. Die Jugendlichen, sagt man, sind „deutlich stabilisiert worden“, entscheidende Schritte in ihrer Persönlichkeits-Entwicklung seien vollzogen worden. Das Modellprojekt von Kirche und Jugendamt, das Sonja Rousseau ihren Job ermöglicht, heißt „Erwachsen werden“. Das klingt so einfach und ist doch so viel, hier, in Katernberg und anderswo.