Sie kommen aus den Krisengebieten dieser Welt, aus Syrien, Iran, Afghanistan, aus Nigeria, Ägypten, aber auch aus europäischen Staaten – und das in einer großen Zahl: Zuwanderer-, meist Flüchtlingskinder, landen vermehrt in Essen und stehen oft sprachlos gestrandet, manchmal traumatisiert vor einer ganz neuen Herausforderung: In einem fremden Land in einer fremden Sprache und Kultur ihren Bildungsweg zu gehen.
Denn das wird von ihnen erwartet, gleich ob sie Kriegsflüchtling aus Syrien oder Krisenzuwanderer aus Griechenland sind: Selbst ohne jede Deutschkenntnis sind sie genauso verpflichtet eine Schule zu besuchen, wie ihre Beschulung eine öffentliche Pflichtaufgabe ist, die zu erfüllen alle Beteiligten zur Zeit vor dramatisch wachsende Herausforderungen stellt. Allein in den Monaten Juli bis September mussten nach Angaben der Stadt 266 Schüler, Kinder wie Jugendliche, aus dem Ausland an Grund- oder weiterführende Schulen vermittelt werden. Bereits 1.200 dieser Seiteneinsteiger, so nennen die Behörden die jungen Zuwanderer, werden aktuell an 41 Schulen unterrichtet.
Das ist eine Aufgabe, für die die wenigsten Einrichtungen wirklich gerüstet sind. Sie stoßen personell und räumlich offenbar zunehmend an ihre Grenzen oder werden es zukünftig tun, lässt die Schulverwaltung durchblicken: „Die bisherige Angebotsstruktur wird nicht hinreichen“, heißt es in einem Bericht für den städtischen Schulausschuss, der sich in seiner kommenden Sitzung mit dem Thema befassen wird. Schon jetzt sei absehbar, dass weitere Schulen – von der Grundschule übers Gymnasium bis hin zum Berufskolleg – noch in diesem Jahr weitere der so genannten Seiteneinsteiger-Klassen bilden müssen, bereits bestehende Gruppen werden noch mehr Kinder aufnehmen müssen, ob es Sinn macht oder nicht.
Doch wie das alles schultern, angesichts eines mehr als übersichtlichen Betreuungsschlüssels, was nicht insbesondere für Psychologen und Sozialarbeiter gilt. Woher die Kapazitäten nehmen, nachdem ausgerechnet in jenen Stadtteilen die Grundschulen geschlossen wurden, in denen die Flüchtlings-Familien jetzt womöglich eine neue Heimat finden?
Da das Gesetz keinerlei Zweifel aufkommen lässt, ist es zwar auch für die Stadt erklärtes Ziel, den jeweiligen Jungen und Mädchen „zeitnah einen Schulplatz zu vermitteln“. Insgesamt, so heißt es, gelinge das gut. Jedoch „tritt immer wieder auch der Fall ein, dass sich das Finden eines Schulplatzes verzögert“, gibt die Stadt zu.
Solcherlei Aussichten sind für die FDP im Rat der Stadt Anlass genug, sich um den Schulunterricht in Essen insgesamt zu sorgen. „Wir wollen wissen, wie viele Kinder von Asylbewerbern aufgrund ihres Status schulpflichtig sind, an welchen Schulen diese unterrichtet werden und ob die Integration in einem Klassenverband dauerhaft im Regelunterricht geschieht“, kündigte Andreas Hellmann als schulpolitischer Sprecher seiner Fraktion der Stadtverwaltung gestern einen ganzen Fragenkatalog an. Neben der Frage einer psychologischen Betreuung der Kinder und der nach der Qualifikation der Lehrkräfte interessiert die Liberalen auch, „wie eine konstante Unterrichtsqualität für alle Schüler gewährleistet werden kann.“
Für Henner Höcker, Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW), zeichnet sich mit Blick auf die Zuwandererzahlen und die zusätzlichen Herausforderungen durch die Inklusion eine prekäre Situation ab, will man Kindern ein Schulangebot machen, das ihnen wirklich gerecht wird. Wohl nicht jeder Lehrer wird auf die Expertise seiner Schüler so vertrauen können wie der Hauptschullehrer Höcker: „Wir haben eine UNO-Gesellschaft in der Klasse, in der sich Schüler gegenseitig helfen im Alltagsgeschäft. Aber es muss ja auch im Unterricht klappen.“ Wohl wahr.