Gevelsberg. Ein leidenschaftlicher Radfahrer ist die Baustelle in Gevelsberg entlanggefahren. Er teilt die ernüchternden Eindrücke auf Youtube.
„Ich hoffe, mein Fahrrad hat alles ausgehalten“, sagt Kurt Runzer. Seine Stimme hat er auf der Online-Plattform Youtube in einem Video hinterlegt, das er für seinen „Fahrradkanal“ aufgezeichnet hat. Und zwar nachdem er sich auf eigene Faust auf den Weg gemacht hat, über den dritten Bauabschnitt des Elbschetalradweges vom Bahnhof Gevelsberg West aus bis Silschede. Als Vergleich zum dem noch oder erneut sehr der Natur überlassenen Stück ist er anfangs den fertiggestellten Weg von Schwelm aus bis Gevelsberg abgefahren und hat dies ebenfalls gefilmt. Das wollte er schon lange – und nun spricht er von einem „Trauerspiel“.
Runzer kommt aus Remscheid. Er ist im Rentenalter und daher viel mit seinem Fahrrad, einem Pedelec, unterwegs. Er sucht sich immer wieder interessante Routen aus, die er fahren kann. Dabei ist ihm in der Radtour-App Komoot aufgefallen, dass schon lange ein Baustellenschild auf der geplanten Strecke in Gevelsberg angezeigt wird. Er fragte sich warum und recherchierte. Dadurch bekam er von den langwierigen Bauarbeiten mit. Das Thema ist seit mehreren Jahren in aller Munde innerhalb der Radszene. „Ich hatte schon länger die Idee, einfach mal das Stück abzufahren. Ich wunderte mich, dass es noch nicht wirklich gestartet ist“, so der 67-Jährige. Die Öffentlichkeit wollte er mitnehmen – um bestenfalls den Druck auf den Bauherren zu erhöhen.
Video ist 21 Minuten lang und ausführlich
Runzer beginnt in seinem 21 Minuten langen Video auf dem ersten Bauabschnitt „Unter dem Karst“ und fährt von Schwelm aus bis zum derzeit mehr oder weniger brachliegenden dritten Bauabschnitt des geplanten Radweges durch Gevelsberg. Insgesamt soll es mal bis hoch zur Ruhr nach Wetter gehen. Wann dies so weit sein wird, ist unklar. Der für den Bau zuständige Landesbetrieb Straßen NRW hatte vor einigen Monaten mal das Jahr 2030 angepeilt. Aktuell sind zwei von vier Bauabschnitten beendet. Seit knapp sechs Jahren wird am dritten Abschnitt gewerkelt. Runzer versteht das nicht. „Es ist ein Weg, den ich gerne in Zukunft nutzen möchte und hoffe, dass ich noch in den Genuss komme“, sagt er.
Der begeisterte Radfahrer nimmt die Zuschauer mit, die Kamera läuft während er in die Pedale tritt. Zu erkennen ist auf dem ersten Teilstück, welche Arbeiten gelungen sind, die auf dem dritten Bauabschnitt zu großen Teilen noch fehlen: Beispielsweise Geländer zur Absicherung an Überwegen, Abfangzäune an angrenzenden Hängen oder der komplette für Fahrräder geeignete Untergrund. Es geht bis zu den Baustellenschildern und der Sperre am Bahnhof West. Dort hat Runzer einen kleinen Pfad gefunden, auf dem man sich in etwa den künftigen Wegverlauf ausmalen kann. Los geht‘s an Schrebergärten oberhalb der Gleise. Aber: „Ihr seht, hier ist nichts mit Bauarbeiten. Das sieht nach wie vor total abenteuerlich aus“, beschreibt Runzer auf dem Weg durch ein kleines Grünstück. Es handelt sich dabei um das Stück, was noch gerodet werden muss, damit eine Vorarbeit geleistet wird, die bislang nach hinten geschoben wurde – aber laut Straßen NRW in diesem Winter erfolgen soll.
Viel Schotter, brachliegende Bauarbeiten und großes Unverständnis
Auf dem Gleisbettschotter neben der Haßlinghauser Straße geht‘s weiter, unter und über die alten Viadukte. Zum für Radler ungemütlichen Untergrund sagt er, wenn man es nicht bereits im Video hört: „Damit hatte ich schon zu kämpfen.“ Durch den Klosterholztunnel lief er. Eine Lichtanlage fehlt noch, daher hilft auf dem Video nur das Scheinwerferlicht des Fahrrads. Im Tunnel ist auf einer Seite zu sehen, dass im Frühsommer 2023 Arbeiten vorgenommen wurden. Das sind die verpflichtend vorzunehmenden zum Schutz der dort beheimateten Fledermäuse. Wie Straßen NRW unserer Redaktion kürzlich auf Anfrage mitteilte, sind die Arbeiten noch gar nicht abgeschlossen und können vermutlich erst ab Mai wieder aufgenommen werden.
Das rief viele auf die Barrikaden, auch das Fachforum Radverkehr der Zukunftsschmiede Gevelsberg, was sich schon mehrfach öffentlich Luft gemacht hat. Im November wieder in Person von Georg Schäfer, der nun sogar eine provokative Feier zum sechsten „Geburtstag“ im Januar plant. Eine E-Mail mit dem Hinweis auf sein Video hat Runzer an das Radforum geschickt, direkten Kontakt hatte er zuvor nicht. Die Mail ging im Übrigen auch an die Stadtverwaltungen Gevelsberg und Schwelm. In Gevelsberg geht es für den Radfahrer mit Ausnahme eines kurzen Stücks Asphalt unterhalb der Brücke unter der A1 über holprigen Untergrund. Bis zum Hedtstück in Silschede, wo der dritte Bauabschnitt endet. Der Filmer findet wie viele, dass der Schotter längst hätte ausgetauscht werden sollen.
Es gab kaum Baustellenbaken, die auf bald folgende Schritte hinweisen. Auch Spaziergänger, mit denen er sich austauschte, wussten nichts über den aktuellen Stand. „Sie fragen sich so wie ich, woran es wirklich scheitert“, erzählt Runzer. Ihm ging es darum, eine „Bestandsaufnahme“ zu präsentieren. Er musste feststellen: „Von Fortschritt kann keine Rede sein. Ich bleibe nun am Thema dran und freue mich, wenn ich mit dem Video etwas bewegen kann.“ Im Video berichtet er mit sehr ruhiger Tonlage. Er hat sich recht neutral auf den mühsamen Weg begeben. Den Rückweg trat er lieber mit der S-Bahn vom Gevelsberger Hauptbahnhof aus an – um sein Rad zu schonen.