Farbenfroh zieht der traditionelle Martinszug durch die Straßen der Eisenbahnsiedlung. Die Anwohner haben ihre Häuser mit bunten Lichtern und Fensterfarben geschmückt. Die altbekannten Martinslieder schallen durch den Ort. Der 1. Vorsitzende des Sankt Martinskommitees, Michael Küsters, ist froh, dass der Umzug sich in seinem Ablauf nicht groß verändert hat. Dabei sind die Auflagen für Martinsfeste insbesondere seit der Loveparade-Katastrophe im Jahr 2010 verschärft worden.

„Als Traditionsveranstaltung sind wir bisher verschont geblieben“, sagt Küsters. „Warnwesten haben wir aber auch, das machen wir aber freiwillig, um unsere Ordner als solche zu kennzeichnen.“ Wegen des Feuers und der Pferde sei man ohnehin immer sehr vorsichtig.

Die mehreren hundert Teilnehmer laufen durch die Roosstraße, in der auch Beate Kostoj wohnt. Sie glaubt, es seien über die Jahre eher mehr Kinder geworden, die an dem Martinszug teilnehmen. „Die kommen ja teilweise auch aus Krefeld hierher“. Selbst mitgelaufen sei sie das letzte Mal vor 40 Jahren, schätzt sie. „Da war mein Sohn noch klein, jetzt ist er selber 40. Aber ich habe viele Süßigkeiten vorrätig, wenn die Kinder nachher zum Singen kommen.“

Wenige Meter weiter hinter dem Rheindamm hat die freiwillige Feuerwehr inzwischen das Martinsfeuer entzündet. Funken schießen in den dunklen Himmel. Die Kinder winken St. Martin zu, als er einmal um das Feuer reitet. Julian Schlüsser und Lisa Müller sind zwar schon Anfang 20, kommen aber trotzdem noch Jahr für Jahr zum Feuer. „Das hat einfach Tradition“, sagt Müller. „Nur die Kinder singen weniger als früher“, ergänzt Schlüsser.

Sobald das Feuer heruntergebrannt ist, können die Zugteilnehmer am Johannes-Büttner-Haus vollgepackte Tüten mit Süßigkeiten abholen. Darin befinden sich Schokolade, Erdnussflips und natürlich ein Weckmann, erklärt Carmen Küsters, die die Ausgabe beaufsichtigt. „In den Wochen zuvor sind wir durch den Ort gelaufen und haben an den Haustüren Marken verkauft, mit denen man eine Tüte erhält, für drei Euro das Stück“, sagt die Ehefrau des Zugleiters. Ohne den Zuschuss von Sponsoren sei die Finanzierung aber nicht möglich gewesen.

Weitersingen nach dem Zug

Fabienne Drogosch und Anouk Lissen wollen nach der Station am Johannes-Büttner-Haus noch um die Häuser ziehen – zum Singen. „Dabei bekommt man meistens eine Tüte voll“, sagen sie. Wilfried Julius und seine Tochter Anja, bei denen die beiden Zwölfjährigen soeben geklingelt haben, tragen einiges dazu bei. Mit beiden Händen greifen sie in die Schüssel voller bunter Bonbons.

Der Umzug in der Eisenbahnsiedlung sei der Schönste in Duisburg, findet Anja Julius, die inzwischen in Duissern lebt und auf den dortigen Zug verzichtet, um den in ihrer Heimat erleben zu können. „Da kehren Kindheitserinnerungen zurück.“ Dennoch habe sich der Zug verändert: „Es gibt nur noch zwei statt drei Kapellen, das wäre bei der Menge an Teilnehmern aber nötig. In der Mitte hört man gar nichts mehr. „Und der Zug selbst ist zu dunkel. Es müsste mehr Fackelträger geben.“

Ihr Vater erfreut sich an der großen Zahl der Teilnehmer. „Wenn man unten an dem Damm steht und die ganzen Kinder mit ihren Laternen auf dem Hang stehen, sieht – das ist eine Augenweide.“