Duisburg-Rheinhausen/Rumeln-Kaldenhausen. Berührende Szene auf Rheinhausens Friedhof Trompet: Wie eine Angehörige von Zwangsarbeitern hier zufällig ihren vermissten Jugendfreund fand.

Andrey, Nikolay, Michail, Wasil, Pawel, Konstantin – vor 80 Jahren starben sie als junge Männer im Duisburger Westen, weit weg von ihrer Heimat in einem grauenhaften Krieg. Immer wieder hat sich Ulrich Koch ihre Namen in den vergangenen Monaten angeschaut. Während der Hochphase der Corona-Pandemie ist der katholische Pfarrer im Ruhestand viel spazieren gegangen. Dafür hat er sich die Friedhöfe als ruhige, verwunschene Orte ausgesucht. „Ich war fast jeden Tag hier in Trompet oder auf dem Friedhof in Rumeln“, sagt Koch, der 26 Jahre Pfarrer in Rheinhausen war.

Viele Menschen hat er in der Gemeinde St. Barbara auf dem Weg zu ihrer letzten Ruhestätte begleitet. Er kennt den Trompeter Friedhof gut, doch so richtig intensiv hat er sich erst jetzt in der Coronazeit mit den Gräbern der Soldaten, Zwangsarbeiter und Bombenopfer auseinandergesetzt, die hier sind.

Ein Faible für russische Kultur

Koch hat ein Faible für russische Kultur, schon oft ist er in das große Land gereist, zuletzt war er vor zwei Jahren dort. Es schmerzt ihn, wenn er über die Schicksale der in Trompet beerdigten Kriegsopfer nachdenkt. „Das waren so junge Leute, die hier gestorben sind.“ Auch kleinste Kinder ruhen in der Trompeter Erde. Switlana zum Beispiel, die nur ein Jahr alt wurde. Saftiges Moos hat sich den Weg auf ihren Grabstein gebahnt. Oder die kleine Ljuba, die 1944 geboren wurde und im selben Jahr bei einem Bombenangriff in Rheinhausen starb.

Auf dem Friedhof Rumeln-Kaldenhausen gibt es keine Grabsteine, sondern eine Steintafel für die gestorbenen Zwangsarbeiter.
Auf dem Friedhof Rumeln-Kaldenhausen gibt es keine Grabsteine, sondern eine Steintafel für die gestorbenen Zwangsarbeiter. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Noch sind die meisten Namen lesbar, aber der weiche Muschelkalk, aus dem ihre Grabsteine sind, lässt nur eine sanfte Restaurierung zu. 2017 wurden sie zuletzt ausgebessert und doch verschmelzen die Buchstaben von Jahr zu Jahr mehr mit dem Gestein. Bei seinen Besuchen hat Ulrich Koch den Wunsch verspürt, noch mehr dafür zu tun, dass mit der Schrift auf den Grabsteinen nicht die Erinnerungen an dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte verblassen. „Ich kenne den historischen Hintergrund, aber was ist mit den jungen Menschen, die den Friedhof besuchen und die alten Steine sehen?“

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Der Pfarrer wünscht sich auf den Friedhöfen in Trompet und Rumeln-Kaldenhausen Hinweistafeln, die von der Geschichte der Menschen erzählen, die hier beerdigt sind. Deshalb hat er jetzt, im Jahr 2021, in dem sich der Angriff von Hitlerdeutschland auf die damalige Sowjetunion bereits zum 80. Mal jährt, einen Brief an die Bezirksverwaltung in Rheinhausen geschrieben, in dem er genau dieses Anliegen formuliert. „So könnte die Erinnerung an schlimme Zeiten besser wachgehalten werden“, sagt er.

Der verschollene Jugendfreund auf dem Trompeter Friedhof

Auf drei Gräberfeldern sind die Toten des Krieges in Trompet bestattet. Friedhofsleiterin Claudia Jost weiß Genaueres: Auf Feld 19 liegen 89 russische Soldaten, auf Feld 11 sind ebenfalls 89 russische und polnische Zwangsarbeiter bestattet und das „Deutsche Ehrenfeld“ ist Ruhestätte für 288 deutsche Soldaten und deutsche, belgische und holländische Bombenopfer. Dazu kommt ein Feld für Zwangsarbeiter in Rumeln-Kaldenhausen. Dass all diese Gräber seit acht Jahrzehnten gepflegt werden, ist für die Duisburger Friedhofsbesucher ein Mahnmal, aber für die Angehörigen der im Krieg Verstorbenen und Vermissten bedeutet diese Geste der Versöhnung noch sehr viel mehr.

Die Dankbarkeit der Menschen, die ihre Liebsten im Duisburger Westen verloren haben

Claudia Jost erinnert sich an den letzten von der Stadt Duisburg organisierten Besuch von Angehörigen der Zwangsarbeiter vor gut 20 Jahren auf dem Trompeter Friedhof. „Das war so bewegend zu erleben, wie dankbar die Menschen waren, dass es hier in dem Land, wo sie ihre Liebsten verloren haben, einen Ort der Erinnerung gibt und dass die Gräber gepflegt werden.“

Eine, die maßgeblich an solchen Begegnungen beteiligt ist, ist Heike Maus. Seit mehr als 30 Jahren ist sie, die Russisch und Geschichte studiert hat, im Dezernat des Oberbürgermeisters für internationale Beziehungen zuständig und kümmert sich mit Leidenschaft um das Thema Kriegsgräber.

Wie wichtig dieser Austausch ist, machen ihr Geschichten wie diese immer wieder bewusst: Als Angehörige von Zwangsarbeitern aus der ehemaligen Sowjetunion zuletzt als Zeitzeugen in Rheinhauser Schulen waren, besuchten sie den Friedhof Trompet. Plötzlich blieb eine Frau an einem Grabstein stehen, ging in die Knie und brach in Tränen aus. Sie hatte zufällig das Grab ihres Jugendfreundes gefunden, den sie aus den Augen verloren hatte und dessen Schicksal bis zu diesem Tag unklar gewesen war. Die Gewissheit, dass er in Rheinhausen in Frieden ruht, war für sie ein großer Trost.