Duisburg-Baerl. . Risse und Absenkungen - nach RAG-Angaben wurden rund 1100 Häuser und Grundstücke geschädigt. Viele Eigentümer wurden entschädigt - einige warten jedoch auch nach jahrelangen Verfahren auf Geld

Das Puzzle hat rund 1100 Teile, die sich nach und nach zu einem Gesamtbild verdichten: Rund 1100 Eigentümer von privaten und gewerblichen Häusern und Grundstücken wurden in den vergangenen 25 Jahren durch die Folgen des Bergbaus in Baerl und im Binsheimer Feld geschädigt, mal mehr, mal weniger. Das bestätigt Ulrich Aghte, Sprecher der RAG in Essen: „Von 1989 bis heute sind von etwa 1100 Besitzungen in Baerl ein- oder mehrmals Schäden bei der RAG gemeldet worden, bei denen anschließend Bergschadensersatzansprüche erfüllt wurden.“

In rund 90 Prozent der Fälle floss Geld

Ob und in wieweit den Forderungen der Eigentümer entsprochen werden konnte lasse sich nicht nachvollziehen, da hierzu jeder Einzelfall betrachtet werden müsse, so die Antwort der Ruhrkohle AG in Essen, Rechtsnachfolgerin der ehemals mehr als 160 Zechen im gesamten Ruhrgebiet. Nach RAG-Lesart wurden die meisten Schadensfälle in Baerl bis heute erfolgreich abgewickelt: „Grundsätzlich erfolgt eine Schadensregulierung entweder durch Naturalrestitution, also durch RAG-seitig veranlasste Reparaturmaßnahmen oder durch eine Entschädigung in Geld.“ Doch was ist eine Naturalrestitution? - Typische Beispiele aus der Praxis: In aller Regel verfugen Maurer- Handwerker Risse in Wänden, Decken und Böden, ersetzen Fliesen, die brüchig oder rissig wurden, die von der Badezimmerwand abzuspringen drohen, Schreiner bearbeiten Türen und Fenster so, dass man sie wieder vernünftig öffnen und schließen kann.

Doch in den meisten Fällen floss und fließt Geld an die Geschädigten. „In rund 90 Prozent der Fälle im gesamten Bergbaugebiet im Ruhrgebiet wurden Beträge bis zu 5000 Euro ausbezahlt“, berichtet der RAG-Pressesprecher. So weit so gut. Doch der Bergbau unter Baerl, dem Binsheimer Feld und auch Orsoy, der im Juli 2004 eingestellt wurde, hat noch tiefere Spuren hinterlassen. So berichtet Günter Müller, Hauseigentümer an der Heesbergstraße, von noch größeren Schäden: „Ich habe mich in meinem großen Bekanntenkreis umgehört. Nach dem Ende des Bergbaus mussten 40 bis 50 geschädigte Wohnhäuser in ganz Baerl abgerissen werden.“ Müllers Elternhaus war selbst von Bergschäden betroffen. In diesem Fall zahlte die RAG sogar rund 30 000 Euro Entschädigung, eine vergleichsweise hohe Summe. Evelin Sommer, die mit ihrer Familie an der Schulstraße 36 wohnt , wird noch konkreter: „Die Häuser Schulstraße 4 und 40 mussten als Folge von Bergbauschäden abgerissen werden.“ Das 1989 gebaute Wohnhaus der Baerlerin war und ist selbst auf allen Etagen von Rissen durchzogen. Das Entschädigungsverfahren zieht sich in die Länge - obwohl das Landgericht Bochum dem Ehepaar Sommer 2009 mit seinem Urteil bescheinigte, das ihr Haus eine bergbaubedingte Schieflage aufweist.

Jahrelange Verfahren

Auch im Fall der Eheleute Sabine und Hans-Jürgen Klose dauert das Verfahren schon Jahre. Auch ihr 1996 errichtetes Mehrfamilienhaus an der Querstraße weist in allen Etagen Risse auf, die Terrasse hinter dem Wohnzimmer senkte sich um sieben Zentimeter ab: ein von der RAG bestellter und bezahlter Gutachter befand: Die Schäden seien bau- aber nicht bergbaubedingt. Nachdem in der vergangenen Woche ein Vermittlungsverfahren vor der paritätisch besetzen Schlichtungsstelle in Essen scheiterte, haben Kloses jetzt genug. Wie Evelin Sommer und andere, erwägen die Eheleute jetzt privatrechtlich zu klagen.