Duisburg-Rheinhausen. . René Heinersdorff und sein Theater an der Kö aus Düsseldorf haben den Bestseller „Der dressierte Mann“ auf die Bühne in der Rheinhausen-Halle gebracht.
Die Älteren werden sich noch erinnern: An „Wünsch Dir Was“, die Samstagabend-Show für die ganze Familie. Unvergessen, dass es in der bunten Show mit dem Moderatorenpaar Dietmar Schönherr und Ehefrau Vivi Bach in jeder Sendung einen handfesten Skandal gab. Für einen sorgte die deutsch-argentinische Autorin Ester Vilar, als sie zur besten Sendezeit ihren späteren Bestseller „Der dressierte Mann“ vorstellte. Darin warb die Ärztin entgegen dem Zeitgeist, den nach 1968 die Emanzipation der Frau dominierte, für die Befreiung des, so Vilar, von den Frauen „dressierten Mannes“. In Wirklichkeit mache sich der Mann zum „Sklaven“ der Frau. Das musste den energischen Widerspruch von Alice Schwarzer, der Speerspitze der Emanzipationsbewegung, herausfordern. Aus dem ernsten Thema hat Bühnenautor John von Düffel eine heitere, witzige und unterhaltsame Boulevardkomödie gemacht. Die Aufführung mit Film- und Theaterstar Karin Dor in einer der Rollen kam beim Publikum in der Rheinhausen-Halle bestens an.
Ester Vilar versus Alice Schwarzer
Mit einem Ausschnitt aus dem damalige Fernseh-Streitgespräch über die vermeintlich idealen Geschlechter- und Beziehungsrollen zwischen Ester Vilar und Alice Schwarzer beginnt die Inszenierung des Theaters an der Kö Düsseldorf. Der kurze Filmclip, der an die weiße Wand des Bühnenbildes projiziert, zeigt noch einmal, wie heftig Schwarzer und Vilar stritten. Dabei zeigte sich Schwarzer anklagend und angriffslustig, Vilar verteidigend und zurückhaltend. Doch die inzwischen 40 Jahre alte Debatte ist nicht mehr als die historische Matrix fürs Bühnengeschehen, das in der Gegenwart spielt.
Die Handlung: „Basti“ (Stephan Schleberger) ist der Sohn der Alt-Emanze Konstanze Engelbrecht (Marianne Rogée). Die Mutter hatte sich ein Mädchen gewünscht und Bastian zu einem „Softie“ erzogen. Auch seine Partnerin Helen (Caroline Kiesewetter) ist keine „echte Frau“ im traditionellen Sinn geworden. Alle pädagogischen Versuche ihrer Mutter (Karin Dor) sind fehlgeschlagen. Ganz im Gegensatz dazu ihre Mutter: Sie ist eine Grande Dame, interessiert sich vor allem für neue Kleider und spendable Männer, die ihr den Luxus finanzieren. „Basti“ will eine gleichberechtigte Partnerschaft auf Augenhöhe mit Helen führen, aber keine Ehe wie Helen. Beide arbeiten übrigens im selben Unternehmen. Doch als „Bastis“ Partnerin dort plötzlich Geschäftsführerin und das Zehnfache wie er verdienen soll, bekommt sein Selbstbewusstsein einen Knacks.
So wird’s erst mal nichts mit der Heirat. Daher machen die beiden Mütter jetzt, so unterschiedlich ihr Weltbild auch ist, gemeinsame Sache, um ihre Kinder in den Hafen der Ehe zu steuern. Die Hausfrau und Mutter (schauspielerisch brillant Karin Dor) und die Soziologin an der Fernuni Hagen, Forschungsscherpunkt Gender Mainstreaming (ebenfalls glänzend Marianne Rogee`) sind sich nun selten einig: Die Frau muss entscheiden, was passiert.
Und tatsächlich gelingt es den konspirativen Müttern, Helen umzupolen. Resultat: Helen nimmt den Super-Job an, macht Karriere. „Basti“ gibt dagegen seinen Job auf, findet sich in seine neue Rolle als Hausmann: Künftig ist er es, der sich um das „bisschen Haushalt“ kümmert, kocht, wäscht, sauber macht, einkauft und bügelt. Natürlich gibt es auch ein Happy-End, wie es sich für eine Boulevardkomödie gehört: „Basti“ und Helen heiraten - und sind trotz ihrer neuen Rollen glücklich dabei. Ihre Mütter auch.
Turbulent bis zum Happy End
Vorher wird’s noch mal richtig quirlig und turbulent im weißen Wohnzimmer des Paars: Stephan Schleberger, meist als dezent von den Frauen verwirrtes Versuchskaninchen in karierten Boxershorts unterwegs, spielt wunderbar den Besoffenen, Caroline Kiesewetter die nicht minder aufgeregte Helen, die ihre Weiblichkeit entdeckt, Marianne Rogée die Mutter Konstanze, die auch im Alter noch ihre Emanzen-Phrasen klopft. Und Karin Dor gibt überzeugend das verwöhnte, berechnende Weibchen.
Alle Rollen sind optimal besetzt. Regisseur René Heinersdorff hat die Komödie frei nach Ester Vilar schwungvoll, temporeich und mit einer gewissen Leichtigkeit inszeniert: Die drei Frauen und der eine Mann unterhalten sich und das Publikum 90 Minuten lang flott und amüsant. ihre Dialoge sind angereichet mit reichlich Kalauern, Wortwitz und Situationskomik.
Bei all dem Spaß darf man aber nicht vergessen: Die Vorlage aus den 70er Jahren mag alt sein, der Geschlechterkampf von damals antiquiert sein. Das Thema ist es keineswegs: 40 Jahre nach der Emanzipationsbewegung sind viele offenbar noch immer verunsichert, auf der Suche nach idealen Geschlechterrollen, nach ihrer Identität in der Partnerschaft. Die Suche geht weiter...