Duisburg-Rheinhausen. . In den frühen 70ern feierten tausende Fans am Rhein auf einer Wiese im Friemersheimer Rheinvorland das Mai-Out. Auch bekannte Bands wie Earth & Fire performten „open air“ in den Rheinauen. Für die Organisation sorgte ein Team des Jugendheims in der Eisenbahnsiedlung und Stadtjugendpfleger Hans Beinke, Doch die Scorpions aus Hannover konnten mangels Zeit nicht mehr auftreten.
Es muss um die Jahreswende 1969/70 gewesen sein. Ein paar Monate zuvor war Woodstock, das größte und legendärste Rockfestival aller Zeiten, an der Ostküste der USA über die Bühne gegangen. Da saßen ein paar Mitglieder der Basisgruppe Jugendheim Eisenbahnsiedlung zusammen, erzählten sich von den Beat-Konzerten im Hochemmericher Haus der Jugend: „Wir hatten uns fest vorgenommen, etwas auf die eigenen Beine zu stellen und es denen vom Haus der Jugend mal zu zeigen“, schmunzelt Dietz Op de Hipt, damals Mitglied der Basisgruppe. Das war die Geburtsstunde des „Mai Out“, des bis heute einzigen, überregional bekannten Rockfestivals auf Rheinhauser Boden.
1970, bei der Premiere in einem Wäldchen am Werth’schen Hof, fing alles recht klein an. 800 zahlende Zuschauer kamen damals zusammen. Für zwei Mark gab es außer zwei DJs die Gruppen „El Shalom“, „Burning Desire“, „Centurys before“ oder „We“, allesamt Lokalmatadoren, zu hören. Bei einer Modenschau wurde die „Miss Summertime“ gewählt. Es folgten „Anything“, „Fire Experience“, „Drive mad four“ und der Liedermacher Wolfgang Geißler, alle aus Rheinhausen.
Drei Mark für den Eintritt
Ein Jahr später gelang es schon teilweise, bekanntere Bands zu verpflichten: 2000 Besucher genossen für drei Mark neben „Centurys before“, „Electric War“, „We“, „Burning Desire“ und „Greenlight Sounds“ auch „Status Quo“. Mitveranstalter Wolfang Faber: „Das war ein Hammer, da kam ein ganz anderer Sound rüber“. Nebenbei gab es auch noch einen Rekordversuch. Wie viel Personen können in und auf einem uralten Käfer fahren? Die Antwort damals: 84. Weil der Wagen dementsprechend demoliert aussah, zerlegte man ihn mit einem Vorschlaghammer.
Im dritten Jahr des Festivals, 1972, rockten schon 2500 Fans hinterm Bauernhof ab. Für immer noch günstige fünf Mark gab es neben „El Shalom“ und „Electric War“ auch „Narkose“, „Sidiana“, „Trash“, „Floh de Cologne“ sowie mit „Livin Blues“ und „Earth and Fire“ auch zwei der bekanntesten und besten Bands aus Holland in Friemersheim zu sehen. Von den Niederländern waren alle begeistert, doch die Stars von Status Quo enttäuschten: „Die Briten stellten nur ihre neue LP vor. Ihre alten Hits haben wir vermisst“, erzählt Faber. Dafür fuhren die Rocker mit ihrem rosa-roten Bentley auf der Wiese am Werth’schen Hof vor.
Keine Zeit für die Scorpions
1973 zog das „Mai Out“ auf ein Kornfeld direkt am Rhein um. Zudem lieferten die Bayerwerke Uerdingen, zu denen die clevere Basisgruppe einen guten Kontakt hatte, ab diesem Jahr kostenlos die 120 Quadratmeter Tribüne und die Toilettenwagen. Die Generatoren eines Pionierbataillons der Bundeswehr und der Feuerwehr sorgten für Strom. Rund 1200 Besucher zahlten acht Mark Eintritt für sieben Bands: „Wollasch’s Blues Band“, „Schmackes Brass Band“, „Johnny King Size Russell“, „Oscar Benton“, „Franz K.“, „Supersister“ und „If“. Der Top-Act „Ufo“ fiel aus.
1974 wollten die Scorpions auftreten, kamen ins Alte Dorf Friemersheim. Faber: „Die standen schon auf dem Rheindeich. Da mussten wir ihnen sagen, dass wir vor lauter Bands keine Zeit für ihren Auftritt hatten. Die Jungs sind stocksauer zurück gefahren.“ Dafür rockten „Braintrust“, „El Shalom“, „Kin Ping Meh“, „Birth Control“ und „Earth & Fire“
Das letzte „Mai Out“ vor rund 1500 Fans im Juni 1975 bot für 15 Mark eine Reihe von Stars und bekannten Bands auf der 150 Quadratmeter großen, überdachten Bühne: Manfred Mann’s Earth Band, Atlantis, Hardin & York, Savoy Brown und Kraan. Doch es gab Probleme: Es kamen nur knapp 2000 Zuschauer. Und weil es später regnete, brach Manfred Mann seinen Auftritt aus Sorge um die Anlage ab, nach nur 30 Minuten. Das führte zu Tumulten , Bierflaschen flogen auf die Bühne, ein Teil der Anlage wurde demoliert. 30 Polizisten mit Hunden schafften Ordnung. So trat dann doch noch die ungarische Rockband Omega auf, der Schlusspunkt des „Mai Out“.
12 000 Plakate geklebt, 35 000 Handzettel verteilt
Dietz Op de Hipt und seine Freunde und Mitstreiter Wolfgang Faber, Wolfgang Bosch, Ralf Welter, Werner Janßen, Manfred Schiel sowie Manfred Loepke-Gilles, alle noch im jugendlichen Alter, knüpften in sechs Monaten viele Kontakte zur Rockszene von Rheinhausen und Umgebung und stellten im Jugendheim bei „Schumachers“ oder im „Sonneneck“ ein Programm zusammen. Besonders aktiv unterstützt wurden sie vom Stadtjugendring Rheinhausen und Stadtjugendpfleger Hans Beinke. Auch ein passendes Gelände war schnell gefunden – die Wiese unmittelbar hinter dem Werth’schen Hof. Sie gehörte Bauer Erwin Wefels.
Vor jedem „Mai Out“ führte die Basisgruppe aus der Eisenbahnsiedlung Verhandlungen mit nationalen wie internationalen Konzertagenturen. Die Mitglieder klebten 12 000 Plakate, verteilten 35 000 Handzettel und zahlten rund 40 000 Mark an Künstler-Gagen aus. Rund 10 000 Rockfans besuchten die sechs Festivals. Für den reibungslosen Ablauf sorgten rund 50 bis 60 Helfer und Platzordner.