Duisburg-Rheinhausen. . Unsere Serie befasst sich heute mit dem Rheinhauser Hüttenwerk und mit der „Säuberung“ von Funktionären der KPD, der SPD und der Gewerkschaften. Zudem sind zwei öffentliche Auftritte des Konzernchefs Gustav Krupp von Bohlen und Halbach (1870-1950) in Rheinhausen in Erinnerung geblieben.

Schon im März und April 1933 führte die neue Reichregierung unter Hitler den Begriff „Gleichschaltung“ ein, in dem Gesetz der „Erfassung“ der Bevölkerung. Alle Vereine und Verbände wurden auf die Ziele des neuen, nationalsozialsozitischen Deutschlands ausgerichtet, Unterorganisationen der NSDAP als Ersatz neu geschaffen, für die von nun an verbotenen und verfolgten Gruppen, Parteien und Gewerkschaften sowie die kirchlich gebundenen und freien Jugendverbände. So wurde im Mai 1933 auch die so genannte „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) gegründet und in allen Betrieben der Betriebsrat von der NS-Betriebszellenorganisation beherrscht.

In diesem Sinne begann auch im Krupp-Stahlwerk und auf den Zechen Diergardt-Mevissen in Rheinhausen das „große Aufräumen“, schon sehr bald nach den Reichstagswahlen im März 1933. Alle Funktionäre der KPD, SPD und Gewerkschaften wurden „hinaus gesäubert“. Kommunisten und Sozialisten wurden am schwarzen Brett wegen angeblich „staatsfeindlicher Einstellung“ öffentlich angeprangert und in einigen Fällen von SA-Männern durch die Straßen gejagt. Dagegen begrüßte die „Bergwerkszeitung“ am 2. April 1933 die „deutsche Revolution“, die „dem deutschen Volk alle Ehre gemacht“ habe , weil diese sich „in so disziplinierter Form“ vollzogen hätte. Die „National-Zeitung“ vom 4. April 1933 bejubelte die Fahnenweihe auf der Zeche Diergardt-Mevissen: „Der Kampfgesang der Revolution brauste über den Zechenplatz, und schwielige Arbeiterfäuste grüßten das Zeichen der Freiheit.“

Den so genannten „Sozialismus der Tat“ beschworen Gauredner auf Massenkundgebungen. Robert Ley (1890 -1945), Leiter der DAF und späterer Reichsarbeitsminister, deklamierte bei seinem Besuch im Krupp- Stahlwerk am 4. November 1933 , dass der „Nationalsozialismus nicht kapitalistische Versklavung“ sei, sondern „wahrhaft sozialistische Gemeinschaft“. Am 24. März 1934 berichtetet der „Grafschafter“ von insgesamt 34 Kundgebungen im Kreis Moers: „90 000 unter der Devise „Sozialismus ist Wirklichkeit geworden.“

Die Aufrüstung sorgte füreinen riesigen Stahlboom

Der Krupp-Konzern insgesamt und das Werk in Rheinhausen profitierten stark vom jetzt beginnenden Stahlboom , der eng mit der massiven NS-Aufrüstungspolitik zusammenhing. Seit dem Krisenjahr 1932 bis zum Vorkriegsjahr 1938 stieg der Gewinn erheblich, um 19,2 Millionen Reichsmark, die Belegschaft stieg im gleichen Zeitraum um 77 000 Mitarbeiter. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit im Kreis Moers von 40 (1932) auf 2,9 Prozent (1938) hing mit dem wachsenden Stahlboom in Rheinhausen zusammen , für den die Roheisengewinnung die Grundlage bildete. Auch in der NS-Zeit blieb die Friedrich-Alfred-Hüte das Herz der 1934 gegründeten Stadt Rheinhausen. Der hohe Anteil der Roheisenerzeugung aus Rheinhausen stieg von 42 Prozent auf 57 Prozent im gesamten Konzern, die rund 10 000 Mitarbeiter machten acht Prozent der Gesamtbelegschaft des Konzerns aus. Vor allem durch den Bewehrungsstahl für den immer wichtigeren Brücken- und Autobahnbau und die verstärkte Schienenproduktion wurde das Rheinhauser Werk, wie der Bochumer Historiker Klaus Tenfelde schrieb, zum „Rückgrat des Unternehmens“.

Zwei öffentliche Auftritte des Konzernchefs Gustav Krupp von Bohlen und Halbach (1870-1950) in Rheinhausen sind in Erinnerung geblieben: Am 18. 12. 1934 weihte der Konzernlenker aus Essen eine riesige Siegfried-Figur ein, als Modell für das Ehrenmal der im 1. Weltkrieg gefallenen 544 Werksangehörigen. Bei seiner Ansprache rief von Bohlen und Halbach aus: „Nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler hatte ich die Genugtuung, dem Führer melden zu können, daß Krupp nach geringer Anlauffrist für die Wiederwehrhaftigkeitsmachung des deutschen Volkes ohne Lücken in seinen Erfahrungen bereitsteht.“ Als der Industrielle knapp drei Jahre später, am 27. Juni 1937, auf dem Krupp-Platz in der Margarethensiedlung - unter Beteiligung der Rheinhauser Parteiprominenz und zahlreicher Direktoren der Friedrich-Alfred-Hütte das Denkmal von Friedrich Alfred Krupp (1854-1902) enthüllte, war von Bohlen und Halbach bereits durch „Führerbefehl“ zum „Reichsführer der Wirtschaft“ ernannt worden. Bezeichnend für die Anpassung des Krupp-Konzerns an die braunen Machthaber war, dass der Schöpfer der Büste, Hugo Lederer, in der Kunstgeschichte als „Vorläufer der nationssozialistischen Bildhauerei“ gilt.

Am 1. April 1941 wurde Krupp-Stahlbau aus dem Verband der Friedrich-Alfred-Hütte herausgelöst, erwähnt der Moerser Geschichtsforscher Bruno Wendt. Diese Maßnahme traf die „Konzernspitze, die allerdings aus Betreiben des technischen Direktors Hans Hermann zustande kam, der sich in Rheinhausen durch „stramme Haltung mit einem krankhaften Drang nach Ausdehnung „ hervorgetan hatte.“ Danach wurde Hermann die Leitung der Germania-Werft in Kiel übertragen, die mit ihrem U-Boot-Bau - 90 Stück - ebenfalls zum Krupp-Konzern gehörte. Krupp-Stahlbau in Rheinhausen lieferte von nun an Ersatzteile für die U-Boote und galt spätestens jetzt als Rüstungsbetrieb.

BOX. Warum das Hüttenwerk kaum bombardiert wurde
Ein Teil der Friedrich-Alfred-Hütte war als Lieferant von Massenstahl weiter nur indirekt an der Kriegsrüstung beteiligt. Möglicherweise ist das ein Grund, warum das Rheinhauser Werk im Gegensatz zum Essener Stammwerk vergleichsweise wenig von Bombenangriffen getroffen wurde. Selbst die Zivilisten Rheinhausens wurden häufiger und heftiger bombardiert als die Hütte, vor allem um die Moral der Krupp-Arbeiter und ihrer Familien zu schwächen.