Das Buch die „Rüpel-Republik“ von Jörg Schindler ist hierzulande ein Bestseller geworden, nicht ohne Grund. Die Zeiten sind rauer, die Sitten und Umgangsformen sind ruppiger geworden: Schon auf deutschen Schulhöfen wird beleidigt, belästigt, getreten, geschlagen, ohne Respekt vor dem Leben der Anderen. Auch an der Gemeinschaftsgrundschule (GGS) Beethovenstraße in Rheinhausen sahen die stellvertretende Schulleiterin Heike Schoch und ihre 21 Kollegen Handlungsbedarf. Seit 14 Tagen üben Konflikttrainer mit allen rund 300 Schülern, spielerisch ein harmonisches, friedfertiges Miteinander ein, konsequent und nachhaltig. Schon jetzt stellen sich erste Erfolge ein.

Wie stoppt man das alltägliche Mobbing von Schülern auf dem Schulhof, im Klassenraum. Wie geht man um mit Rabauken, die ihre Mitschüler verbal oder körperlich belästigen? Mit täglichen Übungen im Klassenverband, rein spielerisch, theoriefrei und mit viel Bewegung. Dazu üben Konflikttrainerin Katrin Machowetz und ein Kollege mit den Jungen und Mädchen im Alter von sechs bis zehn Jahren immer wieder anschauliche Rollenspiele ein.

Wenn Maximilian Anna schubst

Das sieht dann so aus: Maximilian schubst Anna auf dem Schulhof, immer wieder. Normalerweise endet das so, dass die Lage eskaliert, außer Kontrolle gerät und Anna schließlich weint: Doch das Rollenspiel zeigt den Kindern Alternativen auf, wie Anna sich wehren kann und Maximilian aufgibt. Mit drei einfachen Schritten. Zunächst sagt Anna zu Max: „Stopp, hör auf, lass mich in Ruhe!“. Anna unterstreicht ihre Forderung mit einer klaren Geste: Sie streckt ihre Hände abwehrbereit von sich, wie ein Stopp-Signal. Lässt Max dann nicht nach, sagt Anna ihm mit derselben Geste: „Stopp, hör auf! Oder ich sage der Aufsicht Bescheid!“ Gibt Max dann immer noch keine Ruhe, handelt Anna: „Stopp: Jetzt gehe ich zur Aufsicht!“ Hilfreich, weiß Diplom-Sportlehrerin Katrin Machowetz aus Erfahrung, ist bei dem Konflikt auch der so genannte „Bohrerblick“: Anna schaut Max tiefernst und durchdringend in die Augen. Oft reicht das schon, um die Auseinandersetzung rasch zu beenden.

Wenn nicht, sanktioniert die Aufsicht das schlechte Benehmen des Schülers, in diesem Fall von Max. Der muss in den Ruheraum. Dort kann Max dann über sein Verhalten nachdenken, den Konflikt in einem Bild oder einem kleinen Aufsatz reflektieren. Das sitzt, wissen die Konflikttrainer. Bei einer anderen Übung lernen die Kinder, sich mit dem sogenannten „Gorilla- oder Siegergriff“ aus den Händen ihrer Peiniger zu winden, zu befreien. Die Kinder erfahren auch, wie man mit Beleidigungen umgeht. Heike Schoch: „Am besten ist es, wenn Kinder sie ignorieren, mit der Schulter zucken und erhobenen Hauptes weitergehen.“ Bei den Übungen in der Turnhalle der Grundschule zeigt sich: Die Kinder sind aufmerksam, begreifen schnell, machen motiviert mit. Rasch lernen sie, was sie zu Hause oft nicht vorgelebt bekommen.

Positive Resonanz

Zwei Wochen lang haben sie an der Schule das pädagogische Konzept „Gewaltfrei lernen“, das gute Benehmen, aber auch die hilfreichen Konfliktstrategien gegenüber Mitschülern schon eingeübt. Fortsetzung folgt, zunächst ein Jahr lang. Lehrerin Schoch zieht schon jetzt eine positive Bilanz: „Dieses Konzept ist wirklich toll. Die Schüler mögen die Konflikttrainer: Teilweise setzten sie das Erlernte schon im Schulalltag um. Auch die Lehrer und die Eltern sind angetan. „Bei einem Elternabend gab es eine positive Resonanz. „Ich habe selbst eine kribbelige, leicht explosive Klasse, 20 Jungen, sechs Mädchen. Schon nach eineinhalb Wochen waren Konflikte kein Thema mehr. Das Konzept des gewaltfreien Lernens funktioniert.“