Duisburg-Rheinhausen. . Wut der Bürger brach sich schnell Bahn. Statt gegen die vermeintliche Untätigkeit der Behörden zu wettern, richtet sich die Aggressivität gegen Roma

Wochenlang hatte Helmut Achterath die Kundgebung am Samstagnachmittag auf dem Hochemmericher Markt geplant. Er wollte aufstehen gegen Duisburger Behörden, die aus seiner Sicht zu wenig gegen Müll und Kriminalität rund um das Problemhaus tun. Vor dem Marktforum versammeln sich etwa 150 Demonstranten und zahlreiche Schaulustige. Dass sich die Wut der Bürger aber schnell Bahn bricht und gegen Roma richtet, sieht Achterath hilflos mit an. „Das war nicht in meinem Sinne“, resümiert er am Ende.

Friedlicher Start mit Schlagermusik

Dabei beginnt die Kundgebung zunächst friedlich mit Schlagermusik und dem Rapper Fortis. „Wir stehen für Menschlichkeit und Toleranz“, sagt Achterath ins Mikrofon. Er möchte heute die Politiker zum Handeln bewegen und gemeinsam für „ein friedliches und sicheres Rheinhausen“ arbeiten. Er bekommt viel Applaus. Nun darf jeder reden, der möchte.

Am Mikrofon entlädt sich Wut und Verzweiflung. Über Einbrüche, Diebstähle und Gewalt. Längst sind nicht mehr die Behörden das Thema, sondern die Roma, die in Bergheim wohnen. „Ich habe Angst um meine Kinder“, sagt auch Ordnerin Rebecca Bolat. „Niemand sagt, dass alle Rumänen wieder zurückgehen sollen. Aber seit sie hier sind, können unsere Kinder nicht mehr allein auf die Straße gehen, ohne dass sie vom Fahrrad getreten werden. Das muss sich ändern.“

Eine Hochfelderin kritisiert offen rassistische Redebeiträge: „Das ist eine seltsam unsolidarische Stimmung hier!“Sie verweist zudem auf eine Gruppe inmitten der Demonstranten, deren Springerstiefel und Thor-Steinar-Pullover ihre rechte Gesinnung offenbaren. „Ihr habt Faschisten als Bündnispartner“, ruft die Frau und wird dafür ausgebuht und ausgepfiffen. Als ein Ordner ihr das Mikrofon abnimmt, kommt es zu kurzen Handgreiflichkeiten. Auch die Dortmunder Landtagsabgeordnete Birgit Rydlewski (Piraten) und ihre Entourage werden darin verwickelt. „Ein Ordner hat mich körperlich angegriffen!“, sagt Rydlewski nach der Veranstaltung. „Nachdem, was ich heute hier gesehen und gehört habe, kann ich die Mär nicht mehr glauben, dass letztens arme, unschuldige Bürger von Linken angegriffen wurden.“ Nach einer Bürgerversammlung über das Problemhaus war es im August zu einer Schlägerei und einem größeren Polizeieinsatz gekommen.

In Rage geredet

Auf der Demo reden sich viele Rage. Sie wollen nicht hören, dass sie verbal entgleisen, dass sie Rechte in ihrer Mitte dulden. Auch nicht, dass ihre Probleme sich schon gebessert haben, weil die Stadtverwaltung mitnichten untätig ist. Das bekommt vor allem Rolf Karling vom Verein „Bürger für Bürger“ zu spüren. Als er für die Stadt und die Bergheimer Roma eine Lanze brechen will, wird er aggressiv niedergebrüllt.

„Die Kundgebung ist aus dem Ruder gelaufen. Wenn es gegen Einzelpersonen oder Völkergruppen geht, dann ist Ende der Fahnenstange“, sagt Achterath, als er nach anderthalb Stunden die Musikanlage wieder abbaut. Er sei kein Profi-Veranstalter und hätte während der Demonstration oft anders reagieren müssen. „Unser Ansinnen war nicht, gegen die Bewohner des Hochhauses zu demonstrieren, sondern gegen die Politik. Wir warten seit anderthalb Jahren, dass etwas passiert, stoßen aber auf taube Ohren – von Monat zu Monat.“

Wie eine Lösung für die Zustände in Rheinhausen aussehen könne, weiß er allerdings nicht. Gewiss sei aber: Solange die Probleme ungelöst bleiben, will er weitere Kundgebungen auf die Beine stellen. Beim nächsten Mal werde er bei rechten und rassistischen Parolen jedoch hart durchgreifen und sie unterbinden. „In Rheinhausen gibt es keinen Platz für Rassismus.“ Als einige Rheinhauser, die mit ihm demonstriert haben, nur wenige Stunden später auch den Rechtspopulisten von „Pro NRW“ zujubeln, ist Helmut Achterath nicht dabei.