Okko Herlyn unternahm mit ironischen Spitzen und süffisantem Charme einen Streifzug durch die Arbeit der Evangelischen Kirche vor Ort
Die Reformation machte auch vor Rumeln nicht Halt - schon gar nicht vor Kaldenhausen. Denn die Festwoche „450 Jahre Evangelisch vor Ort“ nahm in der evangelischen Kirche Rumeln ihren Abschluss – mit Kabarett vom Feinsten. Und es war, als ob sich zeitversetzt ein moderner Martin Luther vor den Altar stellte und proklamierte, ohne direkt 95 Thesen an die Kirchentür zu nageln: „Hier stehe ich, ich kann auch anders“ – denn so heißt das Programm des Rumelner Kabarettisten und Theologen Okko Herlyn.
Mit ironischen Spitzen und süffisantem Charme machte er seinen Streifzug durch die Arbeit der Kirche vor Ort, landete einmal bei den fleißigen Helferinnen der Frauenhilfe, die dauerhaft darüber debattieren, welchen Kuchen sie zum Gemeindefest backen sollen – oder fühlte sich als Chorleiter der Kantorei beleidigt und persönlich angegriffen, sobald eines seiner Chormitglieder nicht den Ton präsentierte, den er gerade von den Sängern hören wollte.
Geschichten aus dem Leben, aber doch mit einem höheren Sinn – vielleicht sich selbst nicht immer so ernst zu nehmen, die Ziele der Gemeinschaft über seine Interessen zu stellen.Denn so schuf er eine gute Brücke – auch zu Martin Luther, der sicherlich nicht aus egoistischen Motiven in mühevoller Kleinarbeit die Bibel für jedermann übersetzt und Missstände in der katholischen Kirche seinerzeit aufgedeckt hat.
Okko Herlyn zeigte schauspielerisches Potenzial, als er mit modernen Doppelnamen wie „Jan Urs“ und „Martha Celine“ der neuen Konfirmanden-Gruppe korrekt jonglieren konnte und deren geistige Ergüsse zur sinnbildlichen Funktion eines „Reißverschlusses“ wie ein wohlgesonnener Grundschullehrer gutheißen wollte – Momente mit Wiedererkennungswert, in denen sich auch Pfarrer Walter Schwarz ein Lachen nicht verkneifen konnte.
Lachen blieb im Hals stecken
Viel nachdenklicher war der zweite Teil des Programms – eingeleitet von einer düsteren Ode an die Region „Am Niederrhein“, die schon fast Heimatgefühle wie Herbert Grönemeyers Lobgesang „Bochum“ erweckte, zumal sie Okko Herlyn nach der Melodie eines Soulstandards selbst auf dem Keyboard begleitete. Ja, manche Passagen seiner Gedichte und Lieder entwickelten auf einmal die Nachdenklichkeit eines Hans Dieter Hüsch in Bestform.
Und bei der Fragestellung, warum die Kinder in der Schule keine Kriege mehr auswendig lernen müssen, blieb den etwa 120 Zuschauern das Lachen im Halse stecken: „Früher mussten wir den ersten und zweiten Punischen Krieg, über die Weltkriege, bis hin zum zweiten Golfkrieg drauf haben – heute heißen alle UN-Einsätze in Afghanistan oder sonst wo „embedded partnership“. Aber hier erklärt keiner mehr einen Krieg.“
Fazit: Okko Herlyn ist Seelsorger und Spötter zugleich – und hat vielleicht in seinem Kabarett eine neue Form der Predigt entwickelt – die nämlich, trotz starrer Strukturen alles mit mehr Gelassenheit und Humor zu nehmen, ohne den notwendigen Ernst vermissen zu lassen – ein Mann eben, der auf einmal da stand und auch anders konnte – und das gefühlte 450 Jahre danach...