Der Verein Zeitzeugenbörse hat einen Bildband mit größtenteils unveröffentlichtenFotos herausgebracht. Der schlichte Name des Buches: „Rheinhausen“
Ein Blick in die Geschichte: Am Anfang war das weite, flache, fruchtbare Land am Rhein. Dann kamen Bauern, rodeten die Waldlandschaft, gründeten ihre Höfe. Weiden, Wiesen und Äcker bestimmten jetzt das Bild, soweit das Auge reichte. Um die Bauernhöfe herum bildeten sich Dörfer wie Friemersheim, Bergheim, Hochemmerich und Asterlagen. Mit der Industrialisierung siedelte sich das Krupp-Stahlwerk am Rheinbogen an. Jetzt zogen immer mehr Menschen aus dem Osten zu, siedelten sich im westlichen Hinterland des Rheins an, bauten ihre Häuser. Die Dörfer wuchsen rasch zusammen, zur Stadt Rheinhausen. Diese Geschichte erzählt der druckfrische Bildband „Rheinhausen“. Auf insgesamt 130 Seiten haben die Stadthistoriker des Vereins Zeitzeugenbörse Duisburg rund 200 Schwarz-Weiß-Fotos im Postkartenformat zusammengetragen, die meisten davon bisher unveröffentlicht.
Wer heute durch Rheinhausen fährt, kann sich kein Bild davon machen, wie es hier einmal vor 50, 100 oder 150 Jahren ausgesehen hat. Genau hier setzt der Bildband an, füllt die Wissenslücke. Die kundigen Stadthistoriker Harald Molder, Reinhold Stausberg und André Sommer sammeln seit Jahren auf Tauschbörsen und Flohmärkten bisher bis zu 20 000 Unikate, alte Fotografien und Postkarten vor allem, ordnen die Fundstücke historisch ein, recherchieren die geschichtlichen Hintergründe und Zusammenhänge und bringen das gesamte Material dann in Form. „Für diesen Bildband haben wir drei insgesamt einen Monat gearbeitet“, berichtete Harald Molder; Sprecher der Zeitzeugenbörsen, seinen rund 100 Zuhörern bei der Präsentation des Werks in der Bezirksbibliothek Rheinhausen.
Einzigartige Vollständigkeit
Das Ergebnis kann sich sehen und lesen lassen: Denn das Buch im Din-A-5-Format überzeugt durch seine einzigartige Vollständigkeit, die große Bandbreite aller Lebensbereiche der ehemaligen Stadt Rheinhausen. Der Band ist chronologisch, daher übersichtlich aufgebaut, die alten Ansichten in hoher Qualität digitalisiert und reproduziert. Und nebenbei erfährt der Betrachter viel bisher Unbekanntes über den ehemaligen Industriestandort Rheinhausen, die großen Entwicklungslinien einerseits, aber auch die kleinen Anekdoten andererseits.
Bäuerliche Vergangenheit
So berichtet das erste Kapitel aus der bäuerlichen Vergangenheit Rheinhausens bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, zeigt Fotografien vom Höschenhof, Borgschenhof oder vom Werth’schen Hof, von einer Erntegemeinschaft in Asterlagen, vom Bauernkotten Steinhoff in Bergheim oder vom Gutshof Hülsermann in Hochemmerich. Mit dem Haus Heck in Kaldenhausen oder Kloster Marienfelde in Rumeln gibt es auch ländliche Idyllen aus dem Umland zu entdecken.
Im nächsten Kapitel hält die Industrie Einzug: Das Titelfoto zeigt den Wandel von der weichenden Agrarlandschaft zur wachsenden Industriestadt Rheinhausens . Aufgenommen im Rheinvorland, zeigt es im Vordergrund einen Bauern mit Sense bei der Heuernte. Doch im Hintergrund erheben sich bereits die Krupp’schen Hochöfen der Friedrich-Alfred-Hütte, Rheinhausens Skyline der Zukunft. Es folgen Gesamt- und Teilansichten der Hütte, des Rheinhauser Rheinhafens für Kohle- und Erztransporte, der Margarethensiedlung in Hochemmerich oder der Beamtensiedlung in Bliersheim. Mit Aufnahmen vom Siemens-Martin-Ofen und vom Thomasstahlwerk liefert der Band tiefe Einblicke in das harte Arbeitsleben der Stahlwerker. Mehrere Bilder der Zechen Diergardt und Mevissen runden Rheinhausens Montangeschichte ab. Auch viele andere Wirtschaftszweige sind dokumentiert, sämtliche Ziegeleien Rheinhausens zum Beispiel, die „Fass- und Bottichfabrik Friedrich Küppers“ in Trompet, das „Dampfsägewerk Disko“ an der Krefelder Straße genau wie die „Tankstelle Ohletz“ an der Friedrich-Ebert-Straße, beide in Hochemmerich, die Baumschule Bendmann in Trompet wie das Kino „Georg-Palast“ an der Georgstraße in Hochemmerich. Fast alle dieser Gebäude sind längst aus dem Stadtbild Rheinhausens verschwunden...
Info-Kasten:
Die Autoren zeigen eindrucksvoll, wie die Infrastruktur Rheinhausens entstand, halten Straßen, Plätze, Brücken, Eisenbahnlinien, Bahnhöfe, Schulen, Schwimmbäder oder Parks im Wandel fest. So war die ländliche Baumallee Bahnhofstraße etwa nach dem Krieg nicht wieder zu erkennen, hatte sich zur stark bebauten Friedrich-Ebert-Straße gewandelt. Die Kriegszeit findet sich nur in wenigen Bildern wieder, auf denen einige der elf Hochbunker der sogenannten „Reichsbunkerstadt Rheinhausen“ nach Bombenangriffen beschädigte Dächer in Hochemmerich zu besichtigen sind.
Dafür widmet sich ein eigener Abschnitt dem Nationalsozialismus, dem dunkelsten Kapitel der Stadtgeschichte. Massenaufmärsche auf dem Körnerplatz, martialische Kundgebungen auf dem Hüttengelände oder in der Stadthalle bestimmen das Bild. Der Band klingt mit vielen Fotos vom Wiederaufbau und Neubau des Stadtkerns zwischen Hochemmerich, Bergheim und Friemersheim aus. Dort werden Arbeitersiedlungen, das Hallenbad, die Krupp-Krankenkasse hochgezogen, die neue Erlöserkirche und das Alpha-Haus errichtet.
Der Bildband „Rheinhausen“ mit rund 200 Abbildungen auf 130 Seiten ist im Sutton-Verlag (Erfurt) erschienen. Das Buch, Stückpreis: 18,95 Euro, gibt es in der Buchhandlung „Bücherinsel“ (Friedrich-Alfred-Straße 93) sowie im Internet.