Duisburg-Rheinhausen. . Der ehemalige Leiter der Krupp Hüttenwerke Rheinhausen erinnert sich an die erste Besetzung der Brücke der Solidarität Anfang Dezember 1987
In Erinnerungen schwelgt Helmut Laakmann, ehemaliger Leiter der Krupp Hüttenwerke Rheinhausen. Besonders präsent, als würde es gerade passieren, ist ihm die erstmalige Besetzung der Rheinbrücke, später Brücke der Solidarität, in der Nacht zum 2. Dezember 1987.
Helmut Laakmann schreibt: „Am 27. November standen im Stahlwerk alle Räder still; keine Tonne Stahl wurde produziert. Das ist vor einer Woche gewesen und im Stahlwerk rührt sich immer noch keine Hand, die aussieht, als würde sie arbeiten. Am 29. November rannten den ganzen Tag die Ingenieure wie aufgescheuchte Hühner herum; Leitstand rein und raus, Treppe runter und wieder rauf, und immer wieder in die Hände klatschend und rufend: „ Los Männer, wir fangen an zu produzieren!“
Der Obermeister und ich standen zusammen und schauten uns das Schauspiel an. Wir hatten mit unseren Meistern und Vorarbeitern verabredet, dass die Produktionskette dadurch unterbrochen werden soll, dass immer wieder Kollegen zu Informationsgesprächen mit dem Betriebsrat abkommandiert wurden, Kollegen die zur Produktion gebraucht wurden.Irgendwann kam der Stahlwerksdirektor auf uns zu. „Wir sollten nicht einen Tag vor der Betriebsversammlung die Arbeit aufnehmen,“ erklärte ich. Der Direktor nickte: „Also, dann nach der Betriebsversammlung!“ Die Ingenieure verschwanden so wie sie gekommen waren.
Jetzt war aber schon der 1. Dezember und der Laden stand immer noch. In der Nacht bin ich dann von Leitstand zu Leitstand gelaufen und habe mit den Kollegen diskutiert; mir wurde klar, die wollen nicht produzieren; die wollen kämpfen! Über den Sprechfunk habe ich dann die Kollegen aufgerufen in den Pausenraum zu kommen. Dort habe ich dann erklärt, dass wir jetzt die Rheinbrücke sperren gehen.
50 Kollegen liefen mit mir über die Rheinwiesen zur Brücke. Es war eine bitterkalte Nacht und gegen vier Uhr standen wir alle vor Kälte zitternd auf der Rheinbrücke. Die ersten beiden Autos konnten passieren, aber den Bus der Niag ließ man nicht weiterfahren. Der verständigte über Funk die Leitstelle und nach ein paar Minuten war eine Funkstreife der Rheinhauser Polizei auf der Brücke. „Wir fahren dann mal zurück zur Wache und kochen Kaffee, sonst erfriert ihr uns hier noch,“ sagten die beiden von der Funkstreife und schon standen wir wieder alleine da.
Alle zitterten vor Kälte! Ich war drauf und dran mit allen wieder ins Stahlwerk zu gehen. Wofür standen wir hier? Kein Auto in Sicht. Es war nichts los und alle froren. Nach einer halben Stunde war die Funkstreife wieder da und alle bekamen einen Becher Kaffee. Vor dem Streifenwagen stehend hörten wir die Verkehrsnachrichten. Stau auf der A 57 und auf der A 40. Rheinhausen umfahren! Stahlarbeiter blockieren die Rheinbrücke! Der Verkehr wird umgeleitet!
Jetzt kam Bewegung in die frierende Gruppe. Jetzt ein paar Männer zur nächsten Telefonzelle und die Frühschicht informieren: „Kommt sofort zur Brücke!“ Auf dem Weg zur Telefonzelle überall das Blaulicht der Polizei, kein Durchkommen für Autofahrer.
Da kamen auch schon unsere Jungs von der Werksfeuerwehr. Die brachten Koksöfen und kippten eine Ladung Koks auf die Brücke. Jetzt kamen die Kollegen aus dem Werk! Aus fünfzig Kollegen wurde jetzt einige Hundert. Aus der Margarethensiedlung liefen die Frauen zu ihren Männern auf der Brücke. Viele hatten Tee, Kaffee und Kinder im Kinderwagen dabei. Es wurden immer mehr. Mein Gott, was für ein Tag! Es war der Tag, an dem die Bürger sich an die Seite ihrer Stahlkocher stellten. Es war ein Tag der Solidarität. So bekam die Brücke ihren Namen: die Brücke der Solidarität.