Weihnachtsmärchen der Bühne 47/ Ketteler Spielschar in der voll besetzten Rheinhausen-Halle
Duisburg-Rheinhausen. Er bezwingt einen Riesen, schlägt sieben Fliegen tot und wirbt um eine echte Prinzessin. Der kleine Schneider Jockel Wackeldei (gespielt von Walter Glaser) könnte ein lieber Verwandter des spanischen Edelmannes Don Quijote sein, aber seine Fantasien enthalten deutlichen Bezug zur Wirklichkeit. Im Märchenspiel „Das tapfere Schneiderlein“ der Bühne 47/ Ketteler Spielschar steckt hoch dosierte Spannung gepaart mit deftigen Prisen Humor, die die voll besetzte Rheinhausen-Halle in ein Märchenparadies nicht nur für Kinder verwandelten.
Der neunjährige Nico und sein Bruder Moritz und sein Cousin Tobias (beide 6) waren mit Opa Lothar ins Theater gekommen - und amüsierten sich erstklassig: „Ich würde auch mal gerne in einem Märchen mitspielen, als Zauberer“, wünscht sich Nico, der mit seinen Freunden schon viele Märchen der Bühne 47 erlebt hat: „Aschenputtel, Der gestiefelte Kater und Frau Holle.“
Erst mal ein Geburtstagsständchen
Die zweifache Mutter Tatjana Haape (37) wurde als Kind von ihren Eltern regelmäßig zur Bühne 47 mitgenommen. Diesmal meldete sie sich zum Mitmachen - und erhielt sogar eine Rolle: „Ich bin die zweite Darstellerin der Prinzessin“, freut sie sich. Ihre Kinder spielen auch: Eyleen mimt den Rücken des Einhorns, Niclas (9) den Peter. Zunächst entfachte Friedhelm Klemmer (67) in der Rolle des Ansagers prächtige Stimmung, als er ein Geburtstagskind im vorderen Zuschauerbereich durch den fröhlichen gemeinsamen Gesang aller Kinder hochleben ließ. Die turbulente und aufregende Geschichte vom Abenteuer suchenden Schneider, der sich listenreich um die Hand der Prinzessin Gwendoline (Ronja Nellen) bewarb, begann mit dem Besuch der Suse Pflaumenkern (Regina Busch), die dem Nadelakrobaten Jockel Zappeldei selbst leckeres Pflaumenmus schenkte.
Leer ging Zappeldei jedoch bei dem von Volker Pehl überzeugend in Szene gesetzten hochnäsigen Prinzen Marzipan aus. Dem reinigte und bügelte das Schneiderlein die teure Seidenhose. erhielt aber dafür keine Bezahlung. Zwischendurch entledigte sich Zappeldei eines Schwarms ungebetener Fliegen, die vom Pflaumenmus naschten, „mit einem Streich“.
Von diesem glorreichen Erfolg selbst über die Maßen begeistert, nähte er sich einen Stoffgürtel mit der Aufschrift: „Sieben auf einen Streich“ - der Beginn einer Heldenlaufbahn. In deren Verlauf räumte der Garn- und Fadenflicker auch die zwei Riesen (Christian Peyerl und Viola Müller) aus dem Weg und das Einhorn (Nadine Rott und Riccarda Tomberg). Drollige Momente sind dem König Schlimm-Schlimm alias Thomas Eberz zu bescheinigen, aber auch dem Torwächter Firlefanz (Bernd Langenberg, im geliehenen Kostüm der Duisburger Prinzengarde), der ein Tänzchen mit der Prinzessin vor dem Schlosstor wagt, bis die zickige Gouvernante Frl. von Kinkerlitz (Anja Pasch) entsetzt dazwischen fahren will, aber vom Zaun daran gehindert wird.
Großes erreicht - seit 65 Jahren
Die jungen Zuschauer zwischen drei und zehn Jahre halfen in gefährlichen Augenblicken durch warnende Rufe. Und sie nahmen der guten Suse Pflaumenkern die Angst vor dem Zählen, das diese noch gar nicht kannte, aber vom Schneiderlein in diese Kunst eingeführt wurde. „Nein, das Zählen tut nicht weh“, erklang es aus dem Publikum, und so lernte Suse diese hohe mathematische Kunst - im Handumdrehen. Die Moral: der Kleine und Schwache kann mit Selbstbewusstsein und Ideen Großes erreichen. Gutes Beispiel dafür geben die Theaterlaien der Bühne 47/ Ketteler Spielschar - seit 65 Jahren.