Duisburg-Homberg. Hochheider Lebensmittelausgabe besteht inzwischen zehn Jahre und istnotwendig wie noch nie. Der Kundenstamm verdoppelte sich im Laufe der Zeit
„Anfangs habe ich mich geschämt. Wenn ich draußen vor der Tür in der Warteschlange stand, drehte ich mich immer um, damit mich niemand erkannte.“ Diese Situation schildert eine 73-jährige Frau, die bei einer Tasse Kaffee in den Räumen der „Hochheider Tasche“ an der Ehrenstraße 14 in Homberg-Hochheide sitzt. Zehn Jahre gibt es inzwischen diese Einrichtung. Einerseits zum Glück, damit sich dort Menschen in arger Geldnot für einen Euro mit gespendeten Lebensmitteln eindecken können. Andererseits erschreckt das Jubiläum: Die Armut nimmt zu, egal, ob jung oder alt. Die Zahl der Kunden steigt nämlich stetig.
Von 700 Euro geht alles ab
Seit drei Jahren kommt die 73-Jährige jeden Mittwoch zu der Einrichtung. Ihr Mann, so erzählt sie, musste seinerzeit in ein Pflegeheim. Die Rente reduzierte sich drastisch. „Von 700 Euro geht alles ab: Miete, Strom, Wasser. Da bleibt nicht mehr viel. Mal Kaffee trinken gehen, ist heute überhaupt nicht mehr drin“, erzählt die Frau. Ihr Sohn bestärkte sie, die Hochheider Tasche aufzusuchen. Trotzdem kostete es Überwindung. Inzwischen kann die Frau mit der Situation umgehen.
Seit fast einem Jahr gehört eine 33-Jährige zu den Kunden. Sie ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Der achtjährige Sohn und die vierjährige Tochter sind der Grund, weshalb sie nicht arbeiten kann. Obwohl sie es gerne täte, aber wohin mit den Kindern. Die Frau lebt vom Arbeitslosengeld II. „Die Kinder brauchen alle zwei Monate neue Schuhe oder Hosen, weil sie rausgewachsen sind. Das Geld fehlt dann für Lebensmittel. Es geht eben nur so oder so“, schildert sie ihre Situation. Es gehörte ein große Portion Kraft dazu, zum ersten Mal zur Hochheider Tasche zu gehen. „Ich hatte den Mut nicht, mir war das peinlich. Bis Bekannte zu mir gesagt haben: ‘Bist du blöd? Mach das!’. Danach habe ich all meinen Mut genommen.“ Die 33-Jährige versucht, jeden Mittwoch zu kommen. Der Besuch der Einrichtung hilft ihr sehr: „Während ich sonst rund 100 Euro im Moment für Lebensmittel ausgegeben habe, komme ich dank der Tasche mit 50 Euro aus.“
Die Hochheider Tasche ist eine gemeinsame Einrichtung der Katholischen Gemeinde Liebfrauen und der Evangelischen Kirche. „Damals war es so, dass Leute an der Pfarrhaustür um Geld gebettelt haben“, erinnert sich Friedhelm Plätschke, der zusammen mit Jürgen Kalthoff von Anbeginn für die Verwaltung und Finanzen zuständig ist, und erstickt eine mögliche Fehleinschätzung sofort im Keim: „Die Menschen waren wirklich arm.“ Gemeinderat und Presbyterium setzten sich zusammen und schnell stand der Beschluss, die „Hilfe für Bedürftige“ ins Leben zu rufen.
Friedhelm Plätschke: „Der Name gefiel den Frauen nicht. Sie meinten, das höre sich blöd an und fortan hatte die Anlaufstelle den Namen Hochheider Tasche.“ In der Kirchengemeinde Liebfrauen an der Dunkerstraße war der erste Standort, später wurde die Ausgabe zur Evangelischen Kirche an der Kirchstraße verlegt. Vor fünf Jahre zog die Lebensmittelausgabe zur Ehrenstraße 14, ist Untermieter der Stadtteilförderer, die die Räume von der Gebag angemietet hat, aber nicht nutzt. Nach wie vor stehen beide Kirchen voll und ganz hinter der Einrichtung.
39 fleißige Ehrenamtler
Die Finanzierung der Tasche stellten anfangs die Caritas und die Diakonie West sicher. Inzwischen ist das Spendenaufkommen so angewachsen, dass ein eigenes Auto angeschafft und die Räume renoviert werden konnten. 39 fleißige Ehrenamtler sorgen vor und hinter den Kulissen dafür, dass jeden Mittwoch von 9 bis 11.30 die Regale dank zahlreicher Sponsoren gefüllt sind.
Noch etwas schüchtern, so erinnert sich Friedhelm Plätschke, waren vor zehn Jahren die ersten Besucher. Rund 60 Menschen kamen damals, mittlerweile kommen zwischen 110 und 130 Kunden jeden Mittwoch zur Hochheider Tasche. Tendenz: steigend. „Wöchentlich gibt es durchschnittlich fünf Neuaufnahmen“, zieht Plätschke Bilanz. Sie müssen ihre Bedürftigkeit nachweisen. Einen Euro zahlen sie, um nicht als Bittsteller dazustehen. Für manchen ist allerdings dieser Betrag noch zu viel, kann ihn nicht sofort bezahlen. Und oft genug löscht Finanzverwalter Friedhelm Plätschke in der Kundenkartei die ausstehende Summe.
Viele ältere Menschen, bei denen offenbar die Rente nicht mehr ausreicht, und seit geraumer Zeit immer mehr junge Leute stehen in der Warteschlange, harren aus, bis sie sich aus dem Warenangebot bedienen können (nur die Grundlebensmittel werden herausgegeben) und haben nicht selten zwei Einkaufstaschen prall gefüllt, mitunter dekoriert mit einem kleinen Blumenstrauß - auch eine Spende.